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ROUX Michel: Ofenfrisch. Süße und herzhafte Spezialitäten. Umschau Verlag, Neustadt/Weinstraße 2009.

KOLMER Franziska.   

Der Titel „Ofenfrisch" erweckt einen eher falschen Eindruck vom Gehalt des Buches. „Ofenfrisch" meint hierzulande jene in Bäckereifilialen ausgebackenen, zuvor tiefgefrorenen Teiglinge, welche diverse Zusatzstoffe enthalten müssen, um diese diversen Prozeduren zu überstehen. Nichts davon ist in den Rezepten des „Ofenfrisch"-Buches zu finden, weswegen die englische Originalausgabe „Pastry" eher einen Eindruck von der Sache vermittelt als der nicht sehr glücklich gewählte deutsche Titel.

Die Gebrüder Roux, von denen Michel der eine ist, sind wohl die renommiertesten Patissiers in Frankreich - und Michel jetzt auch in England. Das vorliegende Buch ist in der Sache nicht ganz neu, kann gar nicht neu sein, denn es sind französische Backrezepte per se. Diese finden sich schon in älteren Patisseriebüchern der Gebrüder - freilich auf Französisch. So ist es durchaus verdienstvoll, eine deutsche Version vorliegen zu haben. Dafür machte das Buch einige Umwege (gedruckt in Singapur), denn Michel Roux zählt zu den Sterneköchen in England (und hat sie wahrscheinlich von Michelin für seine Vorpostenfunktion miterhalten).

Es ist ein Buch für Frankophile; ein ganz klassisches französisches Backbuch, für

Leute, die Tartes, Croissants, Flans, Brioches und dergleichen lieben. Sie erhalten das perfekte Buch zum Einstieg. Die Teigbereitung und -verarbeitung wird detailliert/minutiös dargestellt und auch en détail bebildert. Danach lassen sich die klassischen Teige (Mürb-, Blätter-, Brand-, Filo = Strudelteig) und auch die entsprechenden Füllungen für Pasteten herstellen. Die Rezepte haben durchaus ihr Schwergewicht: Briocheteig mit 500 g Mehl, 350 g Butter und 6 Eiern. Die beigegebenen 15 g Hefe für diese Menge müssen sehr viel wuchten, aber nachdem der Teig zunächst intensiv zu bearbeiten ist, dann rasten/ruhen muss, mehrmaliges Kneten und Ruhen folgt, wird der Teig sehr feinporig, nachdem er Kraft und viel Zeit für seine Zubereitung forderte. Geradezu exemplarisch für diese Art der Zubereitung steht der Pizzateig, der den Geist des Werkes ausdrückt. Der Teig erfordert die Temperatur von 64° C. Das bedingt die Einrechnung der Temperaturen von Luft, Raum, Mehl sowie die Beigabe entweder warmen oder gar heißen Wassers. An eine schnelle Pizza für den Heißhunger ist somit nicht zu denken, wenn zudem die Gehzeit einen halben bis einen ganzen Tag dauert.

Wer die französische Patisserie liebt, die notwendige Zeit, Geduld, Mühe aufbringt, wird wunderbares Gebäck, knusprige Pasteten und dergleichen erhalten, denn die Anleitungen fallen detailliert, hilfreich, informativ und optisch ansprechend aus. Die entsprechenden Kalorien darf man auch nicht fürchten - anders gesagt: Wer eine einfache, schnelle, kalorienarme Küche bevorzugt, gehört nicht zur Zielgruppe. Auch der Küchenutensilien bedarf es, einer robusten Maschine, mehrerer Thermometer - ob sich das Bratthermometer im Herd als Backthermometer eignet, wäre zu erproben.

Doch sicher ist, dass die hiernach produzierten Croissants allen „ofenfrischen" bei Weitem vorzuziehen sind.

 

ROUX Michel: Ofenfrisch. Süße und herzhafte Spezialitäten. Umschau Verlag, Neustadt/Weinstraße 2009.