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LEMKE Harald: Die Weisheit des Essens. Gastrosophische Feldforschungen. Iudicium Verlag, München 2008.

KOLMER Lothar.   

Lemke fragt, ob es möglichsei, die Zen-Praxis, bezogen auf die Einstellung zur Ernährung, von der Gesamtheit der Religion und der Praxis des Buddhismus zu trennen. Dabei kann er für seine Untersuchung auf eigene Feldforschung in Asien bauen. Die Wertschätzung des Essens in Japan sei hoch, stehe aber meistens in einem Bezug zum Nationalismus. Eine Philosophie des Essens in Japan sei als „Leerstelle" zu bezeichnen, da es zu keiner im europäischen Denken vergleichbaren philosophischen Reflexion gekommen sei. Freilich gebe es systematische Ansätze zu einer Gastrosophie von Dogen, Begründer des japanischen Zen aus dem 13. Jahrhundert. Bei ihm komme schon der praktischen Tätigkeit, etwa des Reisstampfens, hoher Wert zu. Das biete auch einen Weg zur Erleuchtung, nicht nur die klassische Meditation im Sitzen. Aktivitäten machten das eigentliche Leben der Buddhas aus.

Damit wird „richtige Praxis" notwendig, um zum „wahren Selbst" zu kommen. Nebenbei fallen kritische Worte zur Zen-Philosophie, wie sie durch deutsche Philosophen im 20. Jahrhundert, vor allem von Eugen Herrigel, verbreitet wurde. Dieser betonte vor allem die mystische, spirituelle, religiöse Seite und eine starke Kriegsmentalität. Bei Dogen sei das Kochen eine „große Sache für jedermann und jeden Mann". Das kulinarische Selbst kann durch Selbst-Kochen aktiviert werden. Dieser Abschnitt mit zahlreichen Zitaten von Dogen und anderen Meistern schildert anschaulich und nachvollziehbar einen eigenen Weg zur Vervollkommnung. Dieser lässt sich auch ohne große religiöse Meditationen für Gastrosophen nachvollziehen, durch Reflexion und Selbst-tätig-Werden.

Im nächsten Teil wird Siddhartas Diätmoral des „mittleren Wegs" behandelt. Dieser lebte sechs Jahre lang nach den indischen Vorstellungen einer magersüchtigen Diätmoral. Danach schlug er einen mittleren Weg ein: Auf Fleisch wird nicht verzichtet, dafür aber auf den Geschmack der Lebensmittel. Zudem wird alles gegessen, was man von Wohltätern erhält. Wenn man Dinge entstehen lässt, dann entstehen auch die Dinge in einem selbst.

In einem weiteren Abschnitt des Buches geht es um die Ästhetik der östlichen Esskunst, vor allem zur Gewaltfrage im Zusammenhang mit den Essinstrumenten; sei doch unsere Messer-und-Gabel-Esskultur von einer an sich unnötigen Gewalttätigkeit bestimmt. Dem gegenüber werden die Essstäbchen zum Ausdruck einer Friedfertigkeit. Darüber lässt sich diskutieren. Freilich verlangen die Essstäbchen eine Kleinteiligkeit der Speisen, wie sie mittlerweile auch bei uns Dank des östlichen Einflusses auf den Tellern der besseren Restaurants zu finden ist.

Im zweiten Hauptteil des Buches geht es um die chinesische Weisheit des Essens und die Zukunft des chinesischen Kommunismus. Auf die maoistische und postmaoistische Revolution der Esskultur wird eingegangen, wie auf die Probleme der armen chinesischen Bauern. Jene besitzen durchaus ein revolutionäres Potential. Angesichts der Umstände und schon einiger bäuerlicher Pioniere in China böte sich als ein Ausweg die ökologische Landwirtschaft an.

Harald Lemke hat ein Buch geschrieben, das zum Denken anregt. Zudem geht davon ein starker Impuls zum Selbst-tätig-Werden aus. Den behindern etwas der Kleindruck und das textvolle Seitenlayout.

 

LEMKE Harald: Die Weisheit des Essens. Gastrosophische Feldforschungen. Iudicium Verlag, München 2008.