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MILLER Alfred: Für Freunde kochen. Löwenzahn, Innsbruck 2012

Simone KEMPINGER.   

Alfred Miller, eine Koryphäe der exquisiten österreichischen Gastlichkeit bringt mit dem Werk „Für Freunde Kochen" sein erstes Kochbuch auf den Markt. Seit nunmehr zehn Jahren bekocht er in seinem mit zwei Hauben (16 Punkte) und einem Michelin-Stern ausgezeichneten Wirtshaus „Schöneck" bei Innsbruck seine Gäste und Freunde mit ausgewählten regionalen und mediterranen Köstlichkeiten. Viele dieser delikaten Gerichte finden sich nun in seinem Kochbuch zum Nachkochen wieder.

Das gebundene Buch ist sehr übersichtlich und mit viel Liebe zum Detail zusammengestellt. Die Abbildungen zu jedem Gericht wurden aufwändig ausgestaltet, so dass man schon beim Durchblättern richtig Lust bekommt, die delikaten Speisen nachzukochen und zu genießen. Etwas gewöhnungsbedürftig ist die Sprache Millers in den Rezepten. Er gibt wenige imperative Anweisungen, sondern schreibt beispielsweise „dann nehme ich", „...schrecke ich sie ab..." usw.      
Die Auswahl der beschriebenen Speisen ist sehr variantenreich. Allerdings wurde der regionale Aspekt, den man von einem österreichischen, respektiven Tiroler Kochbuch erwarten würde, etwas verfehlt. Neben regionalen Schmankerln wie Saibling mit Zwiebelsalat und Gemüsetatar, Kalbsbries im Schweinsnetz mit Selleriepüree und Rotweinzwiebeln, Rehrücken mit Kartoffelknödeln und glacierter Birne oder Sauerrahmsoufflé mit Waldbeereis und Honigwaben findet man einige Gerichte, die traditionell anderen österreichischen Regionen zugeordnet werden. Aus der Wiener Küche sind Fiakergulasch, Gekochtes Rindfleisch mit Gemüse und Kartoffel oder Rosa gebratener Kalbstafelspitz mit Markkruste und eingebrannten Bohnen entliehen. Aus der benachbarten Wachau kommt der Wachauer Marillen-Nuss-Kuchen mit Topfenmousse und Vanilleeis, aus Salzburg die typischen Salzburger Nockerl mit Ribiselmarmelade. Gleichermaßen findet der Leser einige Vorspeisen, die eher in südlichen oder asiatischen Gefilden beheimatet sind. Beispielsweise Rezepte für Oktopussalat mit Kartoffeln, Hummersalat mit Pak Choi, Mango, Melone und Ingwerdressing, Schwertfisch und Ibericoschwein mit Kräutersalat, Salzwassergarnelen mit Steinpilzen und Stangensellerie an Hummerschaum, marinierter Tunfisch mit Tartar, Paprika-Nudelrisotto und kandiertem Ingwer oder Millers Spezialität: französische Bouillabaisse.

Die Rezepte sind sehr anschaulich beschrieben, allerdings muss man schon über breite Kochkenntnisse verfügen, um manche etwas knifflige Aufgaben lösen zu können. Bei einem Rezept mit Flusskrebsen schreibt Miller beispielsweise: „... Anschließend breche ich die Schwänze und großen Scheren aus...". Nicht jeder, der noch nicht in einer Küche der gehobenen Gastronomie tätig war, wird in der Lage sein, dieser Anweisung ohne bebilderte Beschreibung Folge zu leisten. Als schwierig gestaltet könnte sich auch die Verfügbarkeit bzw. Besorgung mancher Zutaten gestalten. Frischer Hummer, Tunfisch oder Garnelen sind nicht überall problemlos zu erstehen. Man muss sich jedoch nicht gleich zur Aufgabe stellen ein komplettes Miller-Menü zu kredenzen. Durch die große Bandbreite an Speisen, Beilagen, Saucen und Desserts kann sich der Leser Ideen und Anregungen herausnehmen und nach Belieben oder Können in eigene Menükreationen einbauen.   
Miller stellt, seiner Zwei-Hauben-Küche entsprechend, etliche sehr aufwendige Gerichte vor, welche jedes für sich zur Zubereitung bzw. Fertigstellung mehrere Stunden in Anspruch nimmt. Wenn man also ein mehrgängiges Menü für seine Freunde zaubern möchte, was Miller im Titel betont, braucht es schon ein gekonntes logistisches Geschick um alles zeitgerecht und auf den Punkt gegart auf den Tisch zu bringen und dabei auch noch entspannt zu sein, wie man es bei einem Essen mit Freunden erwarten sollte. Eine Aufgabe, die für eine einzelne Person - an einem Tag - kaum zu bewerkstelligen ist. Dazu wäre es praktisch, wenn die Rezepte mit Zeitangaben versehen wären, um den Aufwand besser einschätzen zu können bzw. um Speisen auszusuchen, die schon am Tag zuvor zubereitet werden können.          
Sehr positiv hervorzuheben sind passende Weinempfehlungen zu jedem Gericht, sowie die vielen zusätzlichen praktischen Tipps, die helfen, aus jedem Gericht etwas Besonderes zu machen.    
Im Anhang findet man einige Grundrezepte für die Zubereitung von Fonds, Saucen und nicht alltäglichen Zutaten und Beilagen wie konfierte Paprika oder Marillenchutney. Des Weiteren bietet Miller einige Menüvorschläge für besondere Anlässe oder Festtage sowie ein alphabetisch gegliedertes Rezeptverzeichnis.

Das Buch ist geschmackvoll gestaltet und sehr schön anzusehen. Praktisch anwendbar ist es allerdings nur für sehr versierte oder ambitionierte Köche, die gerne etwas mehr Aufwand auf sich nehmen möchten, um ihre Freunde mit besonderen, ausgefallenen Gerichten zu verzaubern. Die angepriesene Tiroler Wirtshaustradition gerät angesichts mancher mediterraner Speisen etwas ins Hintertreffen. Abgesehen davon ist die Rezeptauswahl jedoch sehr variantenreich. Es sind, dem Restaurantniveau entsprechend, passende Gerichte für jeden Geschmack, jeden Anlass und jede Saison dabei.

Rez_FuerFreundeKochen (34k)

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MILLER Alfred: Für Freunde kochen. Löwenzahn, Innsbruck 2012