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RAUE Tim: My Favorite Things. Collection Rolf Heyne, München 2012

Franziska KOLMER.   

Das Buch soll in eine Welt zwischen Berlin und Hongkong entführen, führt aber direkt in die Kochwelt von Tim Raue. Eröffnet wird sie durch ein großes Einleitungskapitel seiner Lieblingsgegenstände darunter der Kolibri, englische Maßschuhe, Heu, Schwein, aber auch Gläser, Porzellan, Getränke von bestimmten Produzenten, die dann im anschließenden Textteil noch eigens gewürdigt werden. Am Ende des Buches, gleichsam als Klammer, stehen seine Statements, eine Art Selbstreflektion, mit Einsichten und Gedanken, Erkenntnissen, die die Persönlichkeit und Denkstruktur von Raue erkennen lassen. Er sieht sich als Mensch, der Glück hatte, der sich über seine Fähigkeiten, aber auch über seine Schwächen bewusst ist, er erfrägt alles und will sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen. Aus seinen Erfolgen und Orientierungen erwächst ein ziemliches Selbstbewusstsein, das sich auch in den Texten ausdrückt und in den Rezepten wiederspiegelt. Der Rezeptteil bildet den großen Mittelblock, ein Rezept geht gewöhnlich über vier Seiten, mit einer Totalübersicht des Gerichtes auf einem Teller, gewöhnlich vor einem kräftig farbigen Hintergrund, wobei die Gerichte auf den Tellern in seltsam gedämpften Licht, wie mit einem Filter fotografiert erscheinen. Auf der zweiten Seite stehen Impressionen zum Rezept, werden Hintergründe erleuchtet und Assoziationen dargestellt. Die dritte Seite enthält das Rezept selbst mit den Zutaten, mit den Zubereitungen, ehe dann auf der Seite vier wieder ein Ausschnitt des Gerichtes präsentiert wird.

Das Buch bringt den klassischen Aufbau: von den Vorspeisen bis zu den Desserts. Die Rezepte freilich fallen aus dem Rahmen des Üblichen heraus, weil sie minimalistisch sind und sehr stark von den Küchenprägungen Raues beeinflusst sind, vor allem durch seine Erfahrungen in Hongkong. Die Verbindung zwischen Berlin und Hongkong steht etwa hinter dem Rezept: Wasserkastanie mit Reiswein und Blutwurst, Liebesapfelpüree und Korianderstielen. Das Gericht stellt an sich vor keine großen Probleme, so man einen Vakuumierer hat, eine Sousvide-Anlage und ein entsprechendes Wasserbad. Der Komplexitätsgrad lässt sich allerdings steigern, wenn bei der „Pekingente Inspiration" Tim Raue die Ente säubert, rupft, sie vor einen Ventilator hängt und sie achtmal mit Marinade einstreicht. Danach sollte sie im Kühlschrank aufgehängt werden und danach im Konvektomat. Die Fertigstellung erfolgt mit einem Heißluftfön mit 630 Grad, um die Haut knusprig zu föhnen. Die Haut der Keulen ist dann abzulösen und im Exkalibur 6 Stunden zu trocknen. Das macht dann schon deutlich, in welcher Liga hier gespielt wird und er will auch der Welt klar machen, wie kreativ und auf hohem Niveau hier gearbeitet wird. Auch wenn die Rezepte detailliert sind, es ist kein Kochbuch für Jedermann oder Jederfrau. Das Buch im grünen Leinenumschlag, den vielen Farbabbildungen ist absolut durchdesigned. Raue spielt sich bildlich nicht in den Vordergrund, gewinnt aber in den Texten sehr deutliche Konturen. Eine puristische Küchenlinie kommt zum Ausdruck und in diesem Werk kann man sich mit dieser und mit ihm gut auseinander setzen.

RezMyFavoriteThings (27k)

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RAUE Tim: My Favorite Things. Collection Rolf Heyne, München 2012