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FUCHS Guido: Gott und Gaumen. Eine kleine Theologie des Essens und Trinkens. Claudius, München 2010

Bernhard HUBER.   

Was vermag eine „Theologie" des Essens und Trinkens? Lediglicher Wortezauber oder doch Grundinhalt der religiösen Dimension des Miteinanders? Dass „Gott und Gaumen" durchaus zusammenzudenken sind, ist wesentliches Anliegen des Buches. Schon im Vorwort wird auf die christliche Tiefendimension des Ernährungs- wie Konsumverhaltens unserer Gesellschaft hingewiesen, welche selbst den Säkularismus überstanden zu haben scheint. Der unterstellen Leib- und Genussfeindlichkeit der Religion wird einmal mehr versucht entgegenzutreten, um die folgende kulinarische Dimension des Glaubens rechtfertigen zu können.

Eine positiv verstandene „Küchentheologie" möchte folglich den alltagstauglichen Glauben, welcher von Jesus gelehrt wurde, in ihrer „Spiritualität des Essens und Trinkens" erkennen lassen. Dabei wurden verschiedene Aspekte gewählt. Ein tägliches „Essensfest", nicht ein „Festessen" sollte wirkliche Mahlzeit als „Mahl-Zeit" wahrzunehmen erlauben und durch eine bewusste Unterbrechung des Alltäglichen den Vorgang des Essens immer neu zu achten. Dass Genuss eben nicht per se als Sünde zu verstehen sei, soll in der maßvollen Freude am Geschaffenen zum Ausdruck gelangen. Den Rigorismus bspw. der Wüstenväter und späterer Geistesgrößen wie Bernhard v. Clairvaux erkennt Fuchs zwar als solchen, sieht jedoch dabei nur die Ausschweifung, nicht den Genuss selbst, gebrandmarkt. Genießen müsse und solle man, da die Schöpfung Gottes darauf angelegt sei. Der Wert des Fastens wird euphorisch mit gemeinschaftsbildenden und solidarischen Qualitäten belegt, sind dann doch alle den gleichen Bedingungen unterworfen. Fasten sei „Sieg des Geistes" - fragt sich nur welcher Art von Geist! Dass es ein „Experiment mit sich selbst", ein „ver-rückter" Zustand ist, welcher keinen Selbstzweck sondern Mittel zu einem neuen Bewusstsein darstellt, dürfte als Quintessenz einen wichtigen Beitrag zu „artgerechtem" Fastenverständnis verkörpern - gleichviel ob nun Fleisch erlaubt wird oder nicht. Untrennbar verbunden damit ist der Aspekt der Nachhaltigkeit und Verantwortung, die Fuchs besonders aus der Perspektive einer „Schöpfungsverantwortlichkeit" groß schreibt.

Die Ambivalenz des Essens - dass Töten bzw. Zerstören notwendig ist um zu genießen - verbindet Fuchs mit dem Speiseritual des Abendmahles, wo nach katholischer Überzeugung Leib und Blut Christi in den Gestalten von Brot und Wein gegenwärtig werden. Ohne Tod gibt es kein Leben - die vermutlich tiefste religiöse Dimension der Ernährung, die sie eben nicht als Selbstverständlichkeit sondern als „Geschenk <...>, das Leben und Tod berührende Geheimnis, das letztlich in Gott begründet liegt" wahrnimmt. Essen ist (Ver-) Wandlung, einerseits von sich selbst, andererseits für die Essenden. Mit den Bestandteilen der Lebensmittel, die im Zubereitungsvorgang verbunden werden, geschieht dasselbe wie mit den Konsumierenden, welche durch die Speisen einer in der gemeinsamen Beziehung begegnenden Veränderung unterzogen werden - im religiösen Horizont ist dies natürlich Gott! Dieser ist es auch, welchem letztlich zu danken ist, etwa in der Form des Tischgebetes. Ein Gebet, welches die zum Essen versammelte Gemeinschaft bewusst macht und den Gast in der Mitte begrüßt. Mahl halten ist eben wesentlich auch Begegnung, indem Gastfreundschaft mehr als bloßer „Service" ist.

An diesen Themen orientiert sich Guido Fuchs weitgehend und versucht daran die religiöse - nicht nur christliche - Dimension der Ernährung - sowohl der Lebensmittel als auch der Mahlgemeinschaft - fassbar zu machen. An die durchaus sehr einfallsreich bebilderten, in angenehm lesbarem Stil gehaltenen Kapitel schließt sich jeweils am Ende ein Gedicht und ein entfernt an das vorangegangene Kapitel passendes Rezept an. "Küche und Katechese" nennt sich zwar nur ein Kapitel, die Bedeutung die es umfasst jedoch - nämlich eine Beziehung herzustellen zwischen dem Wirken Gottes und dem kulinarischen Alltag - scheint mir leitbildend für das ganze Buch zu sein. Gott und Gaumen; (k)ein Widerspruch? Mit verbotenen Äpfeln begann es, mit einem himmlischen Festessen wird es enden - die Ernährung als zweites alpha und omega...

RezGottUndGaumen (33k)

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FUCHS Guido: Gott und Gaumen. Eine kleine Theologie des Essens und Trinkens. Claudius, München 2010