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Pilgern ins gelobte Land (nicht erschienen)

Lothar KOLMER.   

(Albi - Toulouse)

Das Leben ist eine Pilgerfahrt. Man ist mühselig und vollbeladen unterwegs und hofft, ins gelobte Land zu kommen. Wo sich das heute befindet, darüber gehen die Meinungen weltanschaulich auseinander. Für manche liegt es, ganz mittelalterlich noch, in Spanien und so durchziehen rucksackbepackte Pilger in sommerlicher Hitze den Süden Frankreichs in Richtung Santiago de Compostela. Für das schweißtreibende Bergauf - Talab braucht es heftige Motivation oder starken Glauben! Für viele scheint es eher eine sportliche oder gesellschaftliche Herausforderung zu sein. Die Kirchen werden besichtigt - aber niemand mehr betete - traditioneller Weise - die 233 Stufen der hl. Stiege von Rocamadour auf den Knien ab. Der Wallfahrtsort schmiegt sich in einen Steilhang hinein und die Rückwände der Kirchen und Kapellen, etwa die des Hl. Michael, bestehen aus nacktem Felsen.

Für andere stellt Frankreich das gelobte Land dar - in Kunst und Kulinarik. Üppiges Tafeln meint man, gehört dazu, macht einen Teil des Urlaubsvergnügens aus. So sitzt man nach einem längeren Fußmarsch in der Unterstadt von Cordes-sur-Ciel mit sechs weiteren Gästen in einem Restaurant und wartet ziemlich lange. Was dann kommt ist nicht „himmlisch", wie es der Ortsname anklingen lässt. Die Wirtin meint zum zähen Fleisch sehr irdisch, für 28 € könne sie keine Qualität liefern. Das merkt und hört man noch öfter in diesen Gegenden.

Erfreulicher Weise gibt es dafür wieder Entschädigungen, so im nahen Albi, im Restaurant „L'esprit". Dem Besuch der eindrucksvollen Kathedrale folgte ein dito Mittagsmenü für 30 € (Variationen mit Scampi und Speck, Fischgang, Schokoladen in diversen Zubereitungen). In Toulouse standen nach den hohen Kirchenpfeilern der „Jacobins" im „En Marge", mittags für 34 €, am Anfang würzige Praline, Sellerie in Beutelchen, Velouté vom Hummer, dann gedämpfter Fisch mit gekochten Radieschen auf dem Tisch. Abends wird's in den Sternerestaurants teurer, mit Wein und allem dazu, darf schon jede/r mit € 150.- rechnen. Darum raten wir zum günstigeren Mittagsschmaus. Auch da tafelt man mit den diversen Haupt und Zwischengängen so seine zwei Stunden. Die Freunde des „terroir" bekommen, im Émile etwa, den Hammeleintopf (Cassoulet), nach der unvermeidlichen Foie gras (Gänsestopfleber), in solcher Menge, dass man schon eine Flasche Fronton oder Gaillac dazu braucht (pro Person ca. 60 €). 

Es geht auch ein wenig billiger. Aber wir haben gelernt, dass „traditionelle Küche" im Guide Michelin oft für einfach, schwer, fett steht. Es kann auch „blutig" meinen, wenn die Entenbrüste außen nur eine braune Kruste aufweisen wie die dicken Steaks, nach zwei Minuten überm offenen Feuer.

Die Übel der Welt ließen sich im Mittelalter leicht erklären. Der Süden galt damals als Hochburg der Katharer. Diese glaubten an einen guten und einen bösen Gott. Letzter herrschte auf Erden, da wunderte man sich dann über nichts mehr. Zur Bekämpfung solcher „Irrlehren" wurde in Toulouse und Albi seit ca. 1230 die Inquisition eingerichtet. Die Kirchen, besonders die Kathedrale von Albi, drücken diesen kämpferischen Geist aus. Es sind (Zwing-)Burgen Gottes, Festungen des Glaubens. Sie dienten aber auch als triumphales Zeichen des Sieges über die besiegten und verbrannten Gegner. Bei uns im Lande wurden etwas später, nach dem Sieg der Gegenreformation über die Protestanten, die barocken Dome aus ähnlichen Gründen errichtet. Man muss die Historie kennen, um Bauwerke und ihre Ausstattung zu verstehen. Manchmal steckt hinter einem schönen Bauwerk eine hässliche Geschichte.

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Üppige Speisen