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AMMERER Gerhard u. WAITZBAUER Harald: Wege zum Bier. 600 Jahre Braukultur. Mit Spaziergängen durch die Stadt Salzburg und Ausflügen in die Umgebung (Schriftenreihe des Archivs der Stadt Salzburg32). Stadtarchiv und Statistik der Stadt, Salzburg 2011

Harald GSCHWANDTNER.   

In den Schriften des Salzburger Stadt-Archivs liegt nun eine ebenso fundierte wie eingängige Geschichte des Bieres und seiner Herstellung im Salzburger Land vor. Trotz der zu konstatierenden „dürftigen Quellenlage vor 1600" (S. 17) haben die Verfasser eine Vielzahl an Archivalien ausgewertet, kommentiert und historisch kontextualisiert. Ausgehend von der Beobachtung einer in Salzburg „weitaus stärker <...> als anderswo" verwurzelten „lokal-cervisiologische Identifikation und <...> Akzeptanz des schäumenden Kulturgetränks" (S. 7), zeichnen Gerhard Ammerer und Harald Waitzbauer in dieser lokalgeschichtlichen Studie die historische Entwicklung dieser Sonderstellung eines Volksgetränks präzise nach. Vom ersten schriftlich erhaltenen Hinweis auf das Nahrungsmittel und Handelsgut Bier (1158) über den ersten Beleg einer Brauerei in der Stadt Salzburg (1374) bis zur Etablierung von Zunftordnungen und erbitterten Konkurrenzkämpfen unter den Brauern werden die geschichtlichen Stationen und Konjunkturen anschaulich dargestellt. Als wertvolle Illustrationen finden sich historische Stadtpläne ebenso wie Verzeichnisse und Verordnungen der Frühen Neuzeit und zahlreiche zeitgenössische Fotografien.

Nicht nur die Geschichte der Bierproduktion und des Handels steht dabei im Mittelpunkt, sondern gerade auch die soziokulturelle Bedeutung des Konsums und die Einbettung dieser regional begrenzten ‚Kulturgeschichte des Bieres' in größere geschichtliche Kontexte: die Haltung der Kirche zum Bierkonsum im traditionell katholischen Salzburg, die Rationalisierung der Produktion im Rahmen der Industrialisierungsprozesse der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts oder der Einfluss von Rohstoffmängeln in Zeiten des Krieges: „1918 erhielten die Brauereien nur noch 3 Prozent ihrer in Friedenszeiten benötigten Gerste und gegen Ende des Krieges konnte man Bier überhaupt nur mehr aus Ersatzstoffen herstellen." (S. 67) Der Abschluss des historischen Abrisses wirft einen kurzen Blick in die Gegenwart, und nicht zuletzt auch auf den Imagewandel des Bieres „seit den späten 1980er Jahren": „Verstand man Bier bis dahin als typisches Volksgetränk und verband damit Maßkrug, Stammtisch und ein gerüttelt Maß an Derbheit, so avancierte das kühle Nass nunmehr auch in die höheren Sphären des feinen Genusses, wo man über Karamellgeschmack, Honigduft und den Abgang des Gerstensaftes diskutieren darf." (S. 77)

Besonders anregend ist indes der zweite Teil des Buches, der die Salzburger Braugeschichte anhand zahlreicher Spaziergänge und Ausflüge erlebbar macht; so legen die Verfasser schon im Vorwort dem Leser nahe, „mit diesem Büchlein in Händen" die historischen Orte selbst ausfindig zu machen, „um hernach in einer gemütlichen Gaststube oder einem schattigen Biergarten über das Erlebte zu räsonieren, zu debattieren, womöglich auch zu philosophieren."(S. 8) Selbst für Ortskundige und alteingesessene Salzburger ergeben sich auf den sechs vorgeschlagenen Spaziergängen ins Umland neue Einblicke in die Historie der Stadt, in die Bau- wie Sozialgeschichte ihrer Heimat. So erfährt man etwa einerseits, dass sich am Platz des heutigen „Zirkelwirts" bereits 1595 ein Wirtshaus nachweisen lässt, das 1647 mit dem Namen „Gulden Zirkhl" erwähnt wird; andererseits wird aber auch nicht verschwiegen, dass ein Bombenangriff im Oktober 1944 das Gebäude wie große Teile des Kaiviertels vollständig zerstört hatte (S. 186f.). Die Entstehung und Entwicklung bekannter Brauereien und Bräustüberl (z.B. des Bärenwirts in Mülln ) lässt sich ebenso erkunden wie die Geschichte von heute aus dem Stadtbild verschwundenen Gast- und Produktionsstätten (z.B. des Freihammer- oder Schlammbräus in der Dreifaltigkeitsgasse ).

Lesenswert ist diese kurzweilige Einführung dabei vor allem deshalb, weil wissenschaftliche Akribie und allgemeinverständliche, stilistisch sehr ansprechende Darstellung zu einer überzeugenden Einheit gelangen. Populärwissenschaftliche Lebensnähe und historiographischer Ethos schließen sich nur im Weltbild manches Puristen aus, Gerhard Ammerer und Harald Waitzbauer beweisen nur zu deutlich das Gegenteil und liefern mit Wege zum Bier. 600 Jahre Braukultur einen wichtigen Mosaikstein zur Salzburger Stadtgeschichte.

Rez_WegeZumBier (34k)

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AMMERER Gerhard u. WAITZBAUER Harald: Wege zum Bier. 600 Jahre Braukultur. Stadtarchiv und Statistik der Stadt, Salzburg 2011