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STERMANN Dirk u. KADA Christiane: Frische Fische. Kochen & Essen. Christian Brandstätter Verlag, Wien 2012

Michael BRAUER.   

Dirk Stermann, Österreichs vielleicht bekanntester Deutscher und bekennender Wahlösterreicher, hat ein Kochbuch über Fische geschrieben. Wer allerdings meint, hier handele es sich um einen der üblichen Marketing-Tricks, bei dem Prominente einem Buch Namen und Gesicht leihen, um die Verkaufszahlen zu steigern, wird enttäuscht. Stermann ist in diesem Buch gewissermaßen nicht „auf Sendung", sondern - das wird bei der Lektüre deutlich - angetrieben von einem echten Interesse am Produkt. Dazu hat er sich zusammengetan mit Christiane Kada, deren Familie eine Bio-Fischzucht in der Weststeiermark betreibt. Beide haben sich das Ziel gesteckt, Lust auf Fisch zu machen und die weitverbreitete Ansicht zu widerlegen, Fischzubereitung sei aufwendig. Darüber hinaus wollen sie auch traditionelle, weniger bekannte heimische Fischarten wieder populär machen.

Das erste Viertel des Buches ist dem nötigen Hintergrundwissen gewidmet. So geht es im Kapitel „Lebensraum Teich" um die Fischaufzucht und Fischarten, um Fischen und Schlachten. Die stimmungsvollen Fotos, die Stephan Friesinger im Gut Hornegg gemacht hat, vermitteln dabei etwas von der Faszination, die die Autoren antreibt. Danach werden Themen wie Einkaufen, Aufbewahren, das nötige Werkzeug sowie Saucen und Gewürze behandelt.

Die vielen Rezepte, die den Hauptteil des Buch ausmachen, sind vor allem eins: schlicht. Der Leser sollte also keine aufwändigen Menüs erwarten, die den Gast auch optisch überwältigen (und die man vielleicht zweimal im Jahr zubereitet). Vielmehr dreht sich alles darum, wie man Fisch schnell und unkompliziert in die Alltags- und Familienküche integriert. Damit dies geschmacklich funktioniert, braucht es frischen Fisch in bester Qualität, der am besten aus der Region kommen sollte. Insofern ist dieses Buch nicht unbedingt etwas für Tiefkühl-Schnäppchen-Jäger im Discounter.

Der Rezeptteil behandelt gekochten, gedünsteten, gebratenen, gegrillten und geräucherten Süßwasserfisch in allen Variationen. Angefangen mit Suppen, unter denen Klassiker wie eine Bouillabaisse nicht fehlen dürfen. Auch Fischbeuschelsuppe und Fischfond, der in vielen weiteren Rezepten die Basis bildet, finden Erwähnung. Die nächste Rubrik heißt „Ganz schnell gekocht". Ein gutes Beispiel dafür ist das Zanderfilet, das auf der Hautseite golden-knusprig gebraten und dann mit einer Sauce aus Butter, Kapern und Zitronenfilets serviert wird. Ein weiteres Kapitel behandelt Panaden und Krusten, die aus Kräutern, Speck und Salz hergestellt werden. Rezepte für Kinder wie für Festtage folgen. Das Kapitel mit Rezepten aus anderen Ländern und Kulturen zeichnet sich dadurch aus, dass exotisch nicht - wie in vielen Kochbüchern - mit asiatischer Küche gleichgesetzt wird. So wird (neben Amur bengalisch) auch Karpfen auf jüdische Art und englischer Fishpie mit Räucherfisch vorgestellt.

Mutig angesichts der gängigen Geschmacksvorstellungen ist der Abschnitt über Innereien - und doch nur konsequent, wenn der ganze Fisch in der Küche verankert werden soll. Der Hinweis, dass man bei seinem Fischhändler verstärkt nach Innereien fragen solle, hat dann schon etwas von Graswurzelbewegung. Die Autoren versuchen, die vielleicht ungewohnten Intensitäten und Konsistenzen durch Braten oder starke Aromen abzufangen, beispielsweise beim Karpfenmilcher auf Röstbrot mit Hilfe einer Senfsauce.

Abgerundet wird der Band durch drei historische Rezepte aus dem 17. Jahrhundert, die im Originalwortlaut beigegeben und erläutert sind: „Hechten in lemoni zu kochen"; „Ein karpfen in einer gelben suppen" und „Hechten in krien zu machen".

Insgesamt ist „F(r)ische Fische" ein Buch, das eine ganze Welt jenseits des Fischstäbchens eröffnet, das in vielen Haushalten wohl noch immer die einzige Form ist, in der Fisch auf den Tisch kommt. Die Vielfalt der Zubereitungsarten und Aromen, mit denen hier Fische verfeinert werden, regt dabei durchaus zum Experimentieren an. Gleichzeitig lässt sich das Buch auch lesen als Bildungsroman über einen Städter, gewohnt, die Welt nur ironisch gebrochen wahrzunehmen, der sich auf die Suche nach authentischem Genuss macht. Wahrlich kein unsympathisches Reiseziel.

RezFrischeFische (27k)

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STERMANN Dirk u. KADA Christiane: Frische Fische. Kochen & Essen. Christian Brandstätter Verlag, Wien 2012