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KNOP Uwe: Hunger & Lust. Das erste Buch zur Kulinarischen Körperintelligenz. Books on demand, Nordersteg 2009

KOLMER Lothar.   

Das Buch ist frisch, anregend und informativ, im besten Sinne populärwissenschaftlich für einen breiten Leserkreis geschrieben. Knop weist auf die Problematik hin, dass zum Thema Ernährung sehr viele PR-Texte in den Medien unkritisch als Meldung gedruckt werden, somit ein Wahrheitsanspruch suggeriert wird. Das gilt auch für zahlreiche Studien, die immer wieder durch Gegenstudien konterkariert werden. Man fragt sich bei der Lektüre wirklich, wie und weshalb Empfehlungen - wie, täglich fünf Portionen Obst und Gemüse zu essen - ohne wissenschaftlichen Beweis, einfach als Norm verkündet werden. Immerhin weiß man jetzt, dass der deutsche Fruchthandelsverband die Aktion unterstützt hat.

Ein anderes geradezu „leuchtendes" Beispiel war die Propagierung des Olivenöls. Denn, so hieß es, die ungesättigten Fettsäuren innerhalb der mediterranen Küche seien gesund für die Adern. Dem gegenüber steht der Befund der Welternährungsorganisation FAO, dass 75% der Griechen übergewichtig sind und Kretas Kinder die dicksten in Europa. 2008 erwies eine Studie der Uni Münster, dass Olivenöl gefäßschädigend sei. Was im Ergebnis die alte Weisheit wieder belegt, dass jegliche Einseitigkeit schadet, es zum Austarieren des Olivenöls doch wieder die gute alte Butter braucht. In diese Rubrik fallen Berichte, wonach Wein das Leben verlängere und auch Bier, wobei vergessen wird, dass 1 g Alkohol fast genauso viel Energie liefert wie 1 g Fett und eine Flasche schweren Rotweins mit 700 cal soviel Energie wie knapp 100 g Butter (S. 37).

Der Reihe nach werden die Werbestrategien vorgeführt, samt der Nutzlosigkeit von Light-Produkten, der Diäten, dem Unsinn permanenten literweisen Wassertrinkens, des Schadens von Tabakkonsum. Nach diesem Kapitel sollte man genügend erschüttert sein, um derartigen Empfehlungen mit Misstrauen zu begegnen - was auch das Ziel bildete. Man sollte überlegen, was man isst, denn im Lauf eines 75-jährigen Lebens passieren 30 Tonnen feste Nahrung den Darm und 50.000 l Flüssigkeit (S. 59). Angesichts dessen kommt es auf kulinarische Körperintelligenz an, was im Grunde heißt, dass unser Körper im Grunde weiß, was er braucht, und es über das Hungergefühl meldet. Man soll essen, bis man satt ist, und mit Ruhe und mit Genuss speisen. Wann man isst, spielt dabei nicht die Rolle, die grundlegende Regel ist, dass Energieaufnahme und Energieverbrauch im Gleichgewicht stehen sollten. Das ist allerdings bei uns im Schlaraffenland schwierig, da wir die aufgenommen Energiemengen nicht mehr durch Bewegung abarbeiten. Was als „dick" gilt, ist eine Frage der Bemessungsgrundlage, und auch hier sind die Werte des BMI wohl so gelegt, dass automatisch ein großer Teil der Bevölkerung als übergewichtig erscheint - und damit als Opfer für die Diätindustrie.

Als Mittel der Wahl gelten eine ausgewogene Ernährung, Gleichgewicht bei Energieaufnahme und -verbrauch. Die Botschaft ist einfach: man sollte den medialen Gerüchten misstrauen, selber kritisch bleiben und dann seine Lebenspraxis autonom und bewusst entscheiden. Da muss man gegebenenfalls zu Rundungen stehen, die so lebensgefährlich auch nicht sind. Das Buch ist ein Aufruf zum kritischen, aber genussvollen Essen. Die Frage aber bleibt: was geschieht mit denen, die aufgrund medialer Berieselung etc. Körper und Bewusstsein schon schwer verbildet haben?

 

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KNOP Uwe: Hunger & Lust. Das erste Buch zur Kulinarischen Körperintelligenz. Books on demand, Nordersteg 2009