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So schmeckt die Wurst. Der Einfluss des Zerkleinerungsgrades von Brät auf die sensorischen Eigenschaften von Wurst nach Florentiner Art

Rosemarie HAIDER.   

Die Qualität hat als Gütekriterium von Fleisch- und Wurstwaren in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen.

Ausschlaggebend dafür ist einerseits das zunehmende Ernährungsbewusstsein, andererseits diverse Lebensmittelskandale, durch die sich die Konsumenten oft verunsichert fühlen. In einer vom Lebensministerium in Auftrag gegebenen Studie „Was sagen Konsumenten zu Qualität, Preis und Regionalität in der Fleisch-Wurst-Theke?"(1) kommt deutlich heraus, dass der Konsument zu wenig weiß, wie er gute Qualität, vor allem bei Fleisch- und Wurstwaren, erkennt. Er beruft sich daher am ehesten auf seine persönlichen Erfahrungen hinsichtlich des Geschmacks. Außerdem orientiert er sich an Indikatoren wie Frische, Geruch, Geschmack, Salzgehalt, Fettanteil, Optik, Farbe, Struktur, Marmorierung und die Nachvollziehbarkeit der verwendeten Rohstoffe. Biologisch produzierte Grundmaterialien erleben beim ernährungsbewussten Verbraucher heute einen regelrechten Boom.

Schon für Sokrates war es von größter Bedeutung, geschmacklich und qualitativ hochwertige Lebensmittel auszuwählen. Er ging davon aus, dass es, um gut zu leben, die philosophische und mithin die gastrosophische Kenntnis des Guten erfordere und ohne ein weltkluges Wissen der richtigen Wahl seiner alimentären Besorgungen das Gute nicht praktikabelsei.(2)

Aus gastrosophischer Sicht stehen Geschmack, Genuss und Qualität eines Produktes im Vordergrund. Jeder Mensch hat seine eigenen Vorstellungen von Qualität. Diese werden durch Kultur, soziale und religiöse Traditionen, Erfahrungen und viele andere Lebenseinflüsse geprägt. Der Begriff „Qualität" meint aus dem Lateinischen übersetzt „Beschaffenheit" und ist daher immer subjektiv definiert. Erst durch verschiedene Attribute wie „gut", „schlecht", „hochwertig", „niedrig" erfolgt eine Auf- oder Abwertung eines Produktes. Der Qualitätsbegriff aus der Sicht des Verbrauchers definiert sich über die Erfüllung seiner Wünsche.(3)

Aus ethischer Sicht liegt die Beurteilung, ob ein Lebensmittel gut, schlecht, wohltuend oder schädlich ist, im Verantwortungsbereich eines jeden Einzelnen. Menschen, die für Herkunft, Qualität und Herstellungsweise von Lebensmitteln kein Interesse zeigen, konsumieren wahllos und quantitativ nach Vorlieben und Gelüsten. Sie bedenken dabei nicht, dass sie sich von Werbung und rein ökonomischen Interessen des Handels und der Produzenten bevormunden lassen, indem sie alles unkritisch schlucken.(4) Das ist gastrosophisch gesehen unvernünftig und zeugt von schlechtem Geschmack. Gutes Essen und qualitativ hochwertige Lebensmittel müssen nicht immer hochpreisig sein. Im Gegenteil, es können auch mit relativ geringen Mitteln gehaltvolle und schmackhafte Köstlichkeiten produziert und aufgetischt werden. Neben ausgewählten Fleischrohstoffen und umfassendem Know-how in der Lebensmitteltechnologie und Verarbeitung tragen perfekt abgestimmte Gewürze und Wirkstoffe entscheidend zur Herstellung erstklassiger Fleisch- und Wurstwaren bei. Von deftig bis mild, von rustikal bis elegant. Weltweit verführen zahllose Sorten und Geschmacksausprägungen zum kulinarischen Genuss. Oder auch nicht?

 

Methode

Um herauszufinden, welchen Einfluss der Zerkleinerungsgrad von Brät auf die sensorischen Eigenschaften von Wurst nach Florentiner Art hat, ist die Betrachtung des gesamten Herstellungsprozesses von den Rohmaterialien, die Produktion über die Sensorik bis hin zum Verbraucher nötig.

1.Schritt: Produktion einer Fleischwurst nach Florentiner Art mit einer definierten Würzung, bestehend aus einer Charge. Während des Kuttervorgangs, bei Erreichen eines bestimmten Zerkleinerungsgrades, werden Proben entnommen und Florentinerwürste in drei verschiedenen Körnungen grob, mittel, fein in atmungsaktive, wasser- und rauchdurchlässige Faserdärme abgefüllt und thermisch weiter behandelt.

2. Schritt: Sensorik. Hier gilt es herauszufinden, ob eine Fleischware, welche die gleiche Zusammensetzung aufweist, aber verschiedene Zerkleinerungsgrade besitzt, vielleicht gleiche sensorische Eigenschaften in Bezug auf Würzigkeit/Schärfe in drei verschiedenen Abtrocknungsgraden aufweist.

3. Schritt: Drei Verkostungen beleuchten speziell die sensorische Veränderung der verschiedenen Körnungsgrade (fein, mittel und grob) der Wurst nach bestimmten Abtrocknungsgraden. Um herauszufinden, ob sich die sensorischen Eigenschaften in Bezug auf Würze und Körnung dieser Florentiner-Wurst unterscheidet und ob es eine eindeutige Konsumentenpräferenz für eine bestimmte dieser Würste gibt, wurde einerseits ein analytischer Rangordnungstest nach Würzigkeit/Schärfe mit einem geschulten Panel und andererseits ein hedonischer Rangordnungstest nach Präferenz von einem Verbraucherpanel durchgeführt. Der Fokus ist darauf gerichtet, ob die Körnung eines Produktes in Wirklichkeit einen wesentlichen Einfluss auf die Gewürzausprägung hat. Die Resultate werden mithilfe des Friedmanntestes statistisch ausgewertet und anschließend diskutiert.

Dieser Forschungsansatz ist von praktischer Relevanz, da die Ergebnisse von der Fleischwirtschaft direkt genützt werden können. Zudem wird ein mögliches Rationalisierungspotential für Fleisch- und Wurstwarenhersteller durch Rezepturoptimierung aufgezeigt.

Es gibt so gut wie keine öffentlichen publizierten Untersuchungen zu diesem Thema. Der Grund dafür liegt in der Annahme, dass von der Technologieseite, also der Wurstherstellung, jede Veränderung einen großen Aufwand bedeuten würde.

4. Schritt: Statistische Auswertung der Rangfolgen im eigenen Versuch nach Friedmann

k    Anzahl der Prüfproben

n    Anzahl der Prüfer

R = die Summe der k quadrierten Rangsummen. R = R12 +R22 +R32

alpha = 0,05 oder 5%  Signifikanzniveau / Irrtumswahrscheinlichkeit

T = 12/(n*k*(k+1))*R-3n*(k+1)

CHIVERT = CHIVERT (T;k-1)

lRA - RBI> 1,960 * Wurzel    Paarweise Vergleich nach Friedmann 

Zur statistischen Auswertung des Friedmann-Testes werden alle Ränge, die für drei Proben vergeben wurden, aufsummiert. Folglich werden drei Rangsummen errechnet. Mittels Division der Rangsummen durch die Anzahl der Prüfpersonen konnten die mittleren Ränge ermittelt werden.

Die Frage stellt sich nun, ob die Rangsummen der Proben sich signifikant mit einem festgelegten Wert alpha = 0,05 = 5%, voneinander unterscheiden konnten.

Es werden zwei Hypothesen aufgestellt.

  • wurden alle Proben als gleich in der vorgegebenen Eigenschaft in Bezug auf (Würzigkeit/Schärfe) beurteilt?
  • bestand ein Unterschied zwischen 2 ausgewählten Proben?

Zur Überprüfung der ersten Annahme wird der Friedmann-Test herangezogen. Die Teststatistik berechnete sich nach der Formel T=12/(n*k*(k+1))*R-3n*(k+1).

Die Wahrscheinlichkeit für ein Zustandekommen der Teststatistik unter der Nullhypothese berechnet sich mit Hilfe der Chiquadratverteilung. Eingabe = CHIVERT (T;k-1)5(k-1)=Freiheitsgrade. So kann der Wert mit der festgelegten Irrtumswahrscheinlichkeit von alpha = 0,05 oder 5% verglichen werden. Ergibt sich der berechnete Wert kleiner als alpha = 5%, kann die Hypothese1 verworfen werden, das heißt, es liegt ein signifikanter Unterschied zwischen den Proben vor. Ergibt sich ein signifikanter Unterschied, muss herausgefunden werden, welche Probenpaare es betrifft.

Zur Überprüfung von Hypothese2 wird die Differenz der Rangsummen zweier Proben gebildet. Zum Beispiel Probe: feingekörnte versus mittelgekörnte Fleischwurst, feingekörnte versus grobgekörnte Fleischwurst, mittelgekörnte versus grobgekörnte Fleischwurst. Ist die Differenz aus lRA - RBI > 1,960 * Wurzel , unterschieden sich die beiden Proben signifikant zum αlpha = 5% Niveau voneinander.(5)

 

Verkostungsergebnis „Rangsummen nach Würzigkeit/Schärfe" (siehe Graphik rechts)

Bei den Verkostungen „Rangfolge nach Würzigkeit/Schärfe" besteht hinsichtlich dieser Attribute kein signifikanter Unterschied zwischen den drei Würsten. Aus diesem Grund kann auf den Friedmann-Test für paarweise Unterschiede bei allen drei Verkostungen verzichtet werden.

Hinsichtlich der Würzigkeit/Schärfe besteht zwischen den drei verschieden gekörnten Würsten kein signifikanter Unterschied bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5%. Siehe Abbildung.

 

Verkostungsergebnis „Rangsummen nach Beliebtheit" (siehe Graphik rechts)

Analog werden die Verkostungen nach Beliebtheit ausgewertet. Bei den Verkostungen zur Rangfolge nach Beliebtheit (forced choice) bei Fleischwurst Florentiner Art zeigten sich sowohl bei der ersten, als auch bei der zweiten Verkostung signifikante Unterschiede.

Sowohl bei der 1. als auch bei der 2. Verkostung zeigten sich signifikante Unterschiede bei alpha = 5%. Die 3. Verkostung kann bei allen drei Würsten keine signifikanten Unterschiede aufweisen.

 

Zusammenfassung

Die sensorischen Ergebnisse zeigen, dass eine Fleischwurst nach Florentiner Art minimale bis keine geschmacklichen Abweichungen bei verschiedenen Körnungen und Abtrocknungsgraden aufweist. In Folge dessen beeinflussen die Körnungsgrade in Bezug auf Würzigkeit/Schärfe der Fleischwurst den Genusswert nicht, weder bei der frischen noch bei der verkaufsfertigen Wurst. Das bedeutet: für produzierende Betriebe ist es nicht relevant, aufgrund dieser Studie eine Rezeptur- oder eine Prozessoptimierung durchzuführen. Für fleischverarbeitende Unternehmen sind die Auswirkungen in Bezug auf Würzigkeit/Schärfe von Produkten nicht relevant. Trotzdem darf die Meinung des Konsumenten nicht unberücksichtigt bleiben, da er derjenige ist, der das Produkt in weiterer Folge konsumieren soll.

Die menschlichen Sinnesorgane können nicht nur eingesetzt werden, um die Genusstauglichkeit von Lebensmitteln zu testen, sondern auch um als Messinstrument in der sensorischen Analyse die mit ihnen erfassbaren Größen zu quantifizieren und zu interpretieren.(6) Dies ist in der Rezeptur- und Prozessoptimierung für die Lebensmittelindustrie von größter Bedeutung, da die Qualitätssicherung der Produkte einen immer höheren Stellenwert einnimmt. Eine Qualitätsoptimierung kann entscheidende Wettbewerbsvorteile für ein Unternehmen bringen, da viele Kundenerwartungen im Bereich der sensorischen Eigenschaften liegen. In einer von der Statistik Austria durchgeführten Konsumerhebung der Jahre 2009/2010 über den durchschnittlichen Verbrauch von zu Hause konsumierten Lebensmitteln und Getränken wird aufgezeigt, dass der monatliche Wurstverbrauch in einem Haushalt bei gesamt 2 kg und der Verbrauch pro Kopf bei 1,3 kg liegt.(7) Es ist offensichtlich, dass der Genuss von Wurst und Wurstwaren in Österreich einen hohen Stellenwert einnimmt. Die sinnlichen Eigenschaften eines Lebensmittels, der Genusswert und eine Reihe qualitätsbestimmender Parameter, wie zum Beispiel ernährungsphysiologische Eigenschaften, sind wesentliche Faktoren dafür, ob ein Produkt seine Konsumentenakzeptanz findet. Diese Aspekte zeigen, wie wichtig die Sensorik-Wissenschaften zum Verständnis, zur Analyse und zur Interpretation der Lebensmittelakzeptanz sind.(8)

Es wäre sinnvoll, Untersuchungen solcher Art in mehreren Unternehmen und Versuchsanstalten durchzuführen, damit es vergleichbare Daten und Ergebnisse zu dieser Studie gibt. In weiterer Folge könnten konkrete Einflüsse und Beziehungen zu den verschiedenen Attributen und Parametern deutlich gemacht werden, damit auf kritische Gegebenheiten effizient reagiert werden kann.

Interessant wäre auch herauszufinden, wie und welche Einflüsse die sensorischen Eigenschaften einer Fleischwurst Florentiner Art verändern können, um dadurch gegebenenfalls zu einer Steigerung der Verbraucherakzeptanz zu gelangen.

 

Gastrosophische Sicht

Aus gastrosophischer Sicht darf bei allen wissenschaftlichen Untersuchungen und Argumenten für oder gegen die Eigenschaft eines Lebensmittels nicht vergessen werden, dass Essen mehr ist als nur Nahrungsaufnahme. Glücksgefühle, Verbundenheit mit der Natur oder der Region und kulturelle Aspekte sollen in ihrer Bedeutung nicht unterschätzt werden. Wahrer Genuss ist eine ganzheitliche Sinnesempfindung, die mit geistigem und körperlichem Wohlbefinden verbunden ist. Eine gute Qualität unserer Lebensmittel sowie das Bewusstsein und die Verantwortung dafür spielen eine große Rolle. Echtes Genießen heißt, über den Tellerrand hinauszuschauen und schließt einen verantwortungsvollen Umgang mit den Lebensmitteln in kulinarischer, ökologischer und ethischer Weise mit ein.(9)

 

Literatur:

Derndorfer, Eva: Lebensmittelsensorik. Wien 2010

Karmasin, Sophie: Studie „Was sagen Konsumenten zu Qualität, Preis und Regionalität in der Fleisch-Wurst-Theke?". In: Regal Fach-Forum Fleisch-Wurst-Feinkost. Wien 3. März 2011

Lemke, Harald: Ethik des Essens. Eine Einführung in die Gastrosophie. Berlin 2007

Ortner, Martina u. Wagner, Franz Siegfried: Qualitätshandbuch für Fleisch und Fleischerzeugnisse aus bäuerlicher Produktion. Wien 2006

Rützler, Hanni u. Reiter, Wolfgang: Food Change. 7 Leitideen für eine neue Esskultur. Wien 2010

Siegmund, Barbara: Lebensmittelsensorik als essentielles Werkzeug in der Qualitätssicherung und Produktentwicklung. TU Graz 2010

Solms, Jan Georg: Sensorische Erfassung und Beurteilung von Lebensmitteln. Eine allgemeine Einführung. In: Evolution of Foods. Zürich 1997

http://www.statistik.at/web_de/statistiken/soziales/verbrauchsausgaben/konsumerhebung_2009_2010/055858.html (31.05.2012)

Wurst (306k)

Quellen, Anmerkungen

  1. Vgl. Karmasin, Studie „Was sagen Konsumenten zu Qualität, Preis und Regionalität in der Fleisch-Wurst-Theke?".  
  2. Vgl. Lemke, Ethik des Essens, 260-261.  
  3. Vgl. Ortner u. Wagner, Qualitätshandbuch für Fleisch und Fleischerzeugnisse aus bäuerlicher Produktion, 4.  
  4. Vgl. Lemke, Ethik des Essens, 261.  
  5. Vgl. Derndorfer, Lebensmittelsensorik, 138-140.  
  6. Vgl. Solms, Sensorische Erfassung und Beurteilung von Lebensmitteln, 9-19.  
  7. http://www.statistik.at/web_de/statistiken/soziales/verbrauchsausgaben/konsumerhebung_2009_2010/055858.html (05.01.2012).  
  8. Vgl. Siegmund, Lebensmittelsensorik als essentielles Werkzeug in der Qualitätssicherung und Produktentwicklung.  
  9. Vgl. Rützler u. Reiter, Food Change, 68.  
Florentiner Wurst - Photo: WIBERG   Rangsummen nach Würzigkeit/Schärfe - Fleischwurst Florentinerart   Rangsummen nach Beliebtheit (forced choice) - Fleischwurst Florentinerart