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Glossarerstellung

Martina RAUCHENZAUNER.   

Im Rahmen einer Kulturgeschichte der Ernährung ist ohne Zweifel auch die Erforschung von historischen Kochbüchern ein wesentlicher Bestandteil.

Zu diesem Zweck wurde am Zentrum für Gastrosophie eine Kochbuchforschungsgruppe eingerichtet, welche sich zur Aufgabe machte, historische Kochbücher zuerst zu transkribieren, um dann eine tiefer greifende Analyse vornehmen zu können. Doch eine nähere Betrachtung der Rezepte erfordert auch das Verstehen des Textes und der verwendeten Küchensprache im Kochbuch, was die Forschung vor ein großes Problem stellt. Denn es gibt keine Datenbank mit fachspezifischen Ausdrücken, auf die zurückgegriffen werden kann. Bevor also eine genauere Untersuchung der Kochbücher, aber auch der Kulturgeschichte der Ernährung, vorgenommen werden kann, müssen die sprachlichen Unklarheiten beseitigt werden.

 

Um sich dem Problem anzunähern, entschloss sich die Kochbuchforschungsgruppe zu einer Erstellung eines Glossars für die im Moment in Bearbeitung befindlichen Kochbücher, welches für die zukünftige Bearbeitung von neuen Kochbüchern online zur Verfügung stehen sollte. Bei der Erstellung eines universellen Glossars tauchen jedoch weitere Fragen auf, welche im Folgenden näher erläutert werden.

 

Zuerst wird das Kochbuch durchgelesen und Lemma, die nicht bekannt sind, oder eine heute nicht angemessene Schreibvariante aufweisen, in eine Excel-Tabelle eingefügt. Diese Excel-Tabelle beinhaltet acht Spalten (Sprache/Lemma/Schreib- und Sprachvariation/historische Bedeutung/Quelle/moderne Bedeutung/Quelle/Ort im Kochbuch), in den Zeilen wird jeweils das unbekannte Wort unter Lemma eingefügt und horizontal ausgefüllt. Bereits bei der Übernahme des Lemmers aus dem Kochbuch in das Glossar treten Probleme auf. Ist das Lemma ein Verb, so stellt sich die Frage, ob das Wort im Infinitiv oder doch in der vorzufindenden Form in das Glossar übernommen werden soll. Bei einer Übertragung nur mit Infinitiv verliert das Glossar an Objektivität, da viele Schreibvarianten verloren gehen und so der Wert und die Funktionsfähigkeit des Glossars vermindert wird. Bei einer Übernahme des Lemmer, wie es im Kochbuch vorzufinden ist, in das Glossar, besteht die Gefahr, dass es durch häufige Doppeleinträge unübersichtlich und unsystematisch wird. Ähnliche Schwierigkeiten treten bei Nomen und Adjektiven auf. Vor allem die Übertragung von unbekannten Wörtern in das Glossar bereitet große Schwierigkeiten, da der Kontext des Rezeptes verschwindet und eine weitere Bearbeitung erschweren kann. Ebenso treten bei Schreib- und Sprachvariationen ähnliche Probleme auf. Hierzu kommt noch die Häufung von Synonymen, welche aber nicht unter der Rubrik Schreib- und Sprachvariation aufgelistet werden dürfen sondern eines eigenen Eintrags bedürfen. Erst im Online-Glossar bei dem Unterpunkt „verwandte Begriffe" können Synonyme intelligent verlinkt werden um das Glossar in der Anwendung leichter zu gestallten.

 

Steht das Lemma erstmals in der Excel-Tabelle geht es im nächsten Schritt darum die historische Bedeutung zu erfahren. Manchmal ergibt sich der Sinn des Wortes aus dem Kontext, dass die Suche in den Lexika vereinfacht, doch nicht immer ist die Bedeutung des Wortes klar erkenntlich. Bei jedem neu eingetragenen Wort wird also eine Suche nach der historischen Bedeutung begonnen, welche durch die Onlineplattform „Wörterbuchnetz"(1) und „Krünitz-Online"(2) wesentlich schneller geht als das Durchsuchen von gedruckten Lexika. Hierbei taucht wieder das Problem der Schreibweise des Wortes auf, nicht jede Schreibvariante wird von den Online-Wörterbüchern erkannt. Häufig wird das Wort von der Suchmaschine nur erkannt, wenn man es in der aktuellen Rechtschreibung eingibt. Aber selbst dies führt häufig zu keinem Ergebnis, in diesem Fall ist es nötig das Wort in der modernen Variante in die Suchmaschine einzugeben, wie zum Beispiel „Dimian" wird von der Suchmaschine nicht erkannt, Thymian hingegen wird in vier der oben angegebenen Wörterbüchern gefunden.

 

Im nächsten Schritt muss eine dieser Definitionen ausgewählt werden für das Glossar. Dies ist der wesentlichste und daher schwierigste Punkt bei der Glossarerstellung. Welche Definition soll verwendet werden? Nimmt man eine zu enge Definition, können wesentliche Aspekte des Rezeptes verloren gehen, die aber für die Erforschung des Kochbuches zentral sind. Bei einer zu weiten Definition hingegen taucht das Problem der Unschärfe auf. Daher bedarf es ein großes Maß an Feingefühl, theoretische sowie praktische Kenntnisse im Bereich Küche und vor allem das Verstehen des Rezeptes. Um sich diesem Problem anzunähern werden vor allem zwei Methoden angewendet. Erstens: das gemeinsame Durchlesen des Kochbuches mit Bearbeitung der zu erklärenden Wörter. Bei dieser Methode besteht der Vorteil vor allem in der unterschiedlichen Wissensbasis der Bearbeiter/innen und der gemeinsamen Diskussion über das Rezept beziehungsweise über das zu erklärende Wort. Nachteil ist der immense Zeitaufwand für das Lesen, Suchen und Erklären der Wörter. Ein weiteres Problem dieser Methode ist der Verlust der Konzentration der Bearbeiter/innen nach höchstens drei Stunden, daher kann sich diese Methode über Wochen erstrecken und eine genauere Bearbeitung in die Länge ziehen. Die nächste Methode betrifft wieder eine Gruppenarbeit, doch soll nun eine Person, die die Rezepte nicht kennt (Person A), und eine Person, die bereits bei der Erstellung das Excel-Glossars beteiligt war (Person B), zusammen arbeiten. In diesem Fall geht es um das „Nicht-Nissen", oder den fehlenden Kontext. Auf Grund des fehlenden Kontextes des Rezeptes ergeben sich für Person A weitere Fragen, welche wiederum die Definition beeinflussen können. Daher wird noch einmal unter dem angegebenen Zitat in Wörterbuchnetz oder Krünitz nachgeschlagen und die Definition entsprechend verändert. Bei dieser Methode kann auch ein zweites erstelltes Glossar durch einen Vergleich mit eingearbeitet werden. Die zweite Methode muss nicht unbedingt in einer Excel-Tabelle erfolgen, sie kann parallel mit der Einspeisung des Excel-Glossars in das Online-Glossar vorgenommen werden, was im nächsten Schritt näher erklärt wird.

 

Bei der Eingabe eines neuen Wortes in das Online Glossar sollte kontrolliert werden, ob das Wort bereits im Glossar vorhanden ist und ob es Wörter gibt, die eine ähnliche Bedeutung haben, mit denen man das neue Wort unter „verwandte Begriffe" verlinken kann. Ist das Wort noch nicht vorhanden so erstellt man einen neuen Eintrag, um die Einheitlichkeit innerhalb des Online-Glossars zu wahren, wird immer nach derselben Gliederung vorgegangen. Am Kopf der Seite steht das zu erklärende Wort, darunter folgt eine kurze Erklärung des Wortes ohne Zitat, häufig die Definition, die bereits in die Excel-Datei aufgenommen wurde. Danach werden die Schreib- und Sprachvariationen eingetragen, die während dem Durchlesen des Kochbuches gesammelt wurden und erst dann folgt die historische Bedeutung. Für die historische Bedeutung wird im Rahmen der zweiten Methode noch einmal in der Originalquelle nachgesehen und eine noch genauere Definition des Wortes gegeben. Hierbei muss darauf geachtete werden, dass das Zitat innerhalb der Glossar-Plattform verlinkt wird, da es eine Liste aller verwendeten Quellen mit weiteren Informationen gibt. Mit diesen Informationen kann später ein Außenstehender die Quelle wieder finden und das Zitat nachkontrollieren. Anschließend folgt die Eingabe der Belegstellen, hierbei handelt es sich um die historischen Kochbücher, in denen das Wort gefunden wurde. Auch für die historischen Kochbücher wurde auf dieser Plattform eine eigene Liste mit den jeweiligen Informationen angefertigt, daher müssen die Belegstellen wiederum intern verlinkt werden, um die Informationskette klar zu kennzeichnen. Selbiges gilt auch für die moderne Definition, mit deren Hilfe wir Veränderungen der Bedeutung eines Wortes erkennen können. Zum Schluss erfolgt noch die Verlinkung des Wortes mit verwandten Begriffen innerhalb des Glossars. Dies ist von großer Bedeutung erstens für die Systematik und Struktur des Glossars aber auch Inhaltlich ist diese Rubrik von großer Bedeutung, da somit die feinen Unterschiede der Bedeutungen der Wörter klar hervortritt und somit das Verständnis des Rezeptes noch deutlich erhöht.

 

Das Verstehen der Rezepte ist für die Erforschung der Kochbücher sprich der Kulturgeschichte ein wesentlicher Aspekt. Doch die Sprache der Kochbücher ist eine uns bereits fremde, daher benötigt es einer Brücke, die der heutigen Forschung einen Einblick in die Küchensprache der Vergangenheit ermöglicht, das Glossar. Die Erstellung eines solchen Glossars erfordert Geduld, Genauigkeit und Kontrolle, was vor allem durch enge Zusammenarbeit gewährleistet wird.

 

Glossarerstellung (44k)

Quellen, Anmerkungen

  1. http://woerterbuchnetz.de/ (30.11.2012). Bei dieser Online-Plattform sind die wichtigsten historischen Wörterbücher integriert: Adelung, BMZ, DRW, DWB, ElsWB, FindeB, GWB, Hederich, Kruenitz, LEI, LLU, LWB, Lexer, LmL, LothWB, MHDBDB, MWB, Meyers, NLexer, NRhWB, PfWB, RhWB WLM Wander.  
  2. http://www.kruenitz1.uni-trier.de/ (30.11.2012).  
Gastrosophisches Online-Glossar