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Knödelheimat Österreich

Birgit KLACKL-SALLETMAIER.   

Seit vielen Jahrtausenden fasziniert er die Menschheit: in den nördlicheren deutschen Bundesländern Kloß genannt, weiter im Süden und in Österreich generell als Knödel bekannt,

beschreibt ihn das Lexikon als „kugelige Speise aus geriebenen rohen oder gekochten Kartoffeln, Mehl, Grieß oder Semmeln, meist mit Lockerungsmittel; auch Fleisch- oder Fisch-Knödel". Nicht zuletzt aufgrund seiner lustvollen Form ist er ein beliebtes Gericht! Der Knödel ist keine „Haute Cuisine", sondern ein einfaches, ursprünglich bäuerliches Gericht. Und eine österreichische Küche ohne Knödel ist undenkbar.

 

Entstehung

Rein sprachlich entstand der Knödel schon zur Römerzeit aus dem „nodus", dem lateinischen „Knoten". Über das althochdeutsche „chnodo" und das mittelhochdeutsche „knode" (kleiner Hügel") wird er dann zu dem, was er ist - dem Knödel.

In küchentechnischer Hinsicht lässt sich der Weg des Knödels wahrscheinlich genauso nachzeichnen: denn er war eines der ersten haltbaren Lebensmittel. Der Brei, der übrig blieb beim Essen, wurde gepresst und gedrückt und war dann haltbar und einfach zu handhaben für den Transport. In der Schweiz wurden Getreideklumpen aus dem Jahr 3600 vor unserer Zeitrechnung (v.u.Z.) gefunden und in den Mondseer Pfahlbauten fanden Forscher eindeutig als Knödel identifizierbare Gebilde. Die Pfahlbauten am Mondsee werden auf die Zeit zwischen 3800 und 3300 v.u.Z. datiert, was bedeutet, dass die „Kugel" bereits seit fast 6000 Jahren beliebt ist.

Gemeinsames Merkmal aller Knödel ist natürlich die runde Kugelform. Ausnahmen davon gibt es nur wenige, etwa den Kaspressknödel. Ihren Ursprung hat die kugelige Form des Knödels vermutlich darin, dass er ohne jegliches Hilfswerkzeug entstand: die hohle Hand formt die Masse zum Knödel.(1)

  

Regional - global

Seine Heimat hat der Knödel im bayrisch-österreichisch-tschechischen Raum. Der Ursprung des Knödels ist aber sicherlich nicht in einer bestimmten Region festzumachen. Ähnlich wie Brot entwickelte sich der Knödel an mehreren Orten gleichzeitig. Das ist auch einer der Gründe, warum es beim Knödel so viele Zubereitungsvarianten gibt, wie es Orte, Städte und Regionen gibt. Für den derzeitigen Trend zum regionalen Lebensmittel fungiert der Knödel als bestes Testimonial - mehr Regionalität geht nicht! Ein paar der bekanntesten Knödelformen sollen beispielhaft aufgeführt werden:

Mehlknödel sind eine Spezialität des oberösterreichischen Mühlviertels, mit der Besonderheit des „stauberten": ein Mehlknödel, bei dem das Mehl ganz im Inneren des Knödels nach dem Wallen noch stauben muss, also nicht fest sein darf.

Typisch für das oberösterreichische Innviertel sind die Innviertler Knödel, die sich durch ihre besondere Größe - oder besser „Kleinheit" - auszeichnen: sie sind nur tischtennisballgroß und „mei liab" dürfen Ortsunkundige zu dieser Innviertler Spezialität nicht sagen.

Wien wird mit dem Semmelknödel und dem Serviettenknödel assoziiert - wobei Letzterer vielleicht kein klassischer Knödel ist, da nicht kugelrund. Ein Serviettenknödel unterscheidet sich in der Produktion vom „normalen" Semmelknödel und es herrscht auch keineswegs Konsens über die Zutaten.

In Niederösterreich haben Erdäpfelknödel ihre dezidierte Heimat und große Anhängerschaft. Hier werden keine Feste rundherum gefeiert, sondern gleich Knödelolympiaden ausgetragen. Bei den Erdäpfelknödeln scheiden sich die Küchengeister an der Zubereitung: schwören manche KöchInnen auf gekochte und dann verarbeitete Kartoffeln, bevorzugen andere die Halbe/Halbe-Methode: die eine Hälfte der Kartoffeln wird roh, die andere Hälfte gekocht in den Teig eingearbeitet.

Außerhalb Österreichs ist zum einen Bayern als Knödelregion hervorzuheben, zum anderen gilt Böhmen mit den Knedlik als klassisches Knödelland. Auch Südtirol bietet viele Formen des Canederli. In vielen anderen Kulturkreisen finden sich ebenfalls Knödel auf den Speisekarten, die jedoch oft kein essentieller Bestandteil der Küche sind, sondern allenfalls eine eher unbedeutende Beilage von vielen.

 

Sprache und Dichtung

In Österreich wird der Knödel Knödel genannt und hat seine lateinischen Wurzeln behalten. Die Verwendung des richtigen Artikels bereitet manchmal Probleme: „Heißt es DER Knödel oder DAS Knödel?" Unerfahrene KnödelesserInnen werden sich über diese Frage wundern und entrüstet: „Natürlich DER Knödel!" antworten. Je weiter man in Österreichs Osten vordringt, desto präsenter ist allerdings DAS Knödel. Darüber hinaus gibt es viele weitere Wörter, in die die runde Kugel umgangssprachlich Eingang gefunden hat, hier nur ein paar davon:

Knödelakademie (Höhere Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe), Knödelfriedhof (Bauch), Knödelschießen (eine Variante des Eisstockschießens), Rossknödel (Ausscheidung des Pferds).

Dann gibt es noch den Ausdruck „knödeln", der entweder eine undeutliche Aussprache, eine besondere Art der (harten) Aussprache (Tiroler) bezeichnet oder eine Gesangstechnik, die mit dem „Knödel" im Hals zusammenhängt.

Auch in die Dichtung hat der Knödel Eingang gefunden. Wilhelm Busch hat 1859 die Knödel essenden, von den Bienen malträtierten „kleinen Honigdiebe" verewigt. Eine Ahnung, wie es jemandem nach dem Knödel-Wettessen geht, vermittelte Erich Kästner in seinem Gedicht „Die Sache mit den Klößen".

Der österreichische Poet Ernst Jandl hat dem Knödel mit dem Gedicht „klos" ein sprachspielerisches Denkmal gesetzt. Und abschließend erwähnt werden muss noch der berühmte Dialog von Karl Valentin über die Semmelnknödeln.

 

Zusammenfassung

Der Knödel hat sich über die Jahrhunderte als praktisches, da meist einfach zuzubereitendes Gericht erhalten und weiter entwickelt. Er hat mit der Entdeckung der Kartoffel einen sehr großen und wichtigen Entwicklungsschritt gemacht. Obwohl er als „Knödelchen" auch Eingang in die Haute Cuisine gefunden hat, ist er ein sehr bodenständiges und einfaches Gericht mit nach wie vor großer Verbreitung geblieben.

Interessant ist, dass der Knödel der heutigen Philosophie der Regionalität absolut entspricht: Regionalität bezieht sich bei den Knödelvarianten oft auf ein nur wenige Quadratkilometer großes Gebiet - in einem Gebirgstal werden die Knödel schon anders zubereitet als im Paralleltal.

Als Convenience-Produkt hat der Knödel seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts Eingang in den privaten Haushalt und in die Gastronomie gefunden. Und obwohl er sich sehr gut als Fast-Food oder Take-Away eignen würde, gibt es erstaunlicherweise noch keinen „McKnödel".

Zusammenfassend bleibt noch zu sagen, dass der Knödel aller Voraussicht nach auch in den nächsten Jahrhunderten ein wesentlicher Bestandteil der österreichischen und süddeutschen Küche bleiben wird. Daran werden auch Gesundheitstrends oder Trends in Food Design nichts ändern - der Knödel ist als Wahrzeichen aus der österreichischen Küche nicht weg zu denken.

 

 

Literatur

Busch, Wilhelm: Die kleinen Honigdiebe. In: Hochhuth, Rolf (Hg.): Wilhelm Busch. Sämtliche Werke und eine Auswahl der Skizzen und Gemälde in 2 Bänden. 1. Band: Und die Moral von der Geschicht. 11. Auflage. München 2006. S. 217-222

Damm, Barbara: "Es ist schon alles gesagt! Nur noch nicht von allen!". Die Wortakrobatik des Karl Valentin. http://parapluie.de/archiv/worte/valentin/ (30.04.2013)

Horn, Erna: Von Knötelein, Knödchen und Knödeln. Kulturhistorische Betrachtungen rund um die Knödel und Klöße. München 1976

Jandl, Ernst: klos. In: die bearbeitung der mütze.   http://www.lyrikline.org/index.php?id=162&L=1&author=ej00&show=Poems&poemId=1235&cHash=61682d9de7 (30.04.2013)

Kästner, Erich: Die Sache mit den Klößen. In: Ders. Das verflixte Telefon. Zürich 2000

Petschek-Sommer, Birgitta (Hg.): Kloß - Knödel - Knedlik. Geschichte(n) zum Anbeissen. Ein schmackhaftes Lesebuch über ein rundes Leibgericht zur gleichnamigen Sonderausstellung im Stadtmuseum Deggendorf, im Haus der Fränkischen Geschichte und im Kreismuseum Cheb/Eger, Tschechien (Kataloge der Museen der Stadt Deggendorf 25). Deggendorf 2007

Svoboda, Margit u. Neuhold, Manfred: Das Buch vom Knödel, Sonderausgabe. Salzburg 2004

Knoedelheimat (41k)

Quellen, Anmerkungen

  1. Was allerdings nicht erklärt, warum es im Innviertel so kleine Knödel gibt - denn die Hände der InnviertlerInnen sind keineswegs kleiner als im Durchschnitt. Es findet sich auch nirgendwo ein Hinweis, dass im Innviertel ursprünglich Kinder zur Knödelherstellung herangezogen wurden.  
Semmelknödel. Foto: Kobako