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Epikur Journal 02/2011: Editorial

16.12.2011  

In der heutigen „Diät", die in ihrer populären Variante vor allem ein schnelles Abnehmen durch reduzierte oder einseitige Ernährung meint, steckt nur noch ein Bruchteil des ehemaligen Bedeutungsspektrums von „Diätetik".

So hat Diätetik einst in der griechischen Medizinphilosophie seit Hippokrates eine Kunst vernünftiger Lebensführung bezeichnet, die auf einen Ausgleich der Extreme bei allen alltäglichen Bedürfnissen und höheren Beschäftigungen bedacht war. Die Ernährung leistete in dieser Auffassung einen wichtigen Beitrag zur Herstellung des Gleichgewichts, aber nicht den einzigen.

Die in diesem Themenschwerpunkt versammelten Beiträge gehen auf eine Lehrveranstaltung am Fachbereich Geschichte der Universität Salzburg im Sommersemester 2011 zurück. In dem Seminar zur Diätetik im Mittelalter wurden zunächst die antiken Grundlagen (Viersäftelehre bzw. Humoralpathologie) und der Wissenstransfer aus dem arabischen Raum ins lateinische Mittelalter erarbeitet, wobei jedoch letzteres noch große Forschungslücken aufweist. Besonders aber ging es darum, die Verbreitung von diätetischen Vorstellungen in ganz verschiedenen Kulturbereichen des Mittelalters aufzuzeigen: in der Medizin (sowohl in der Theorie als auch in der praktischen Behandlung etwa von Pestkranken), in der Literatur und im Bereich der Gesundheitsratgeber und Kochbücher. Hat die bisherige Forschung bereits in Einzelstudien viele Ergebnisse erarbeitet, sind Themenstellungen zu übergreifenden Zusammenhängen v.a. aus kulturwissenschaftlicher Perspektive nach wie vor großteils ausständig. Mit vorliegendem Band sei der Absicht Ausdruck verliehen, den Themenbereich der Diätetik in besonderem Bezug aus der Ernährung heraus zu verstehen und ansatzweise auch interdisziplinäre Annäherungen zu versuchen. Gesichertes Handbuchwissen zu verlassen und mittels weiterführender Fragestellungen Neuland zu betreten; die folgenden Beiträge stellen einen dahin gehenden Versuch dar.

 

Michael BRAUER und Bernhard HUBER

Epikur Journal 02/2011