Stellen Sie sich vor: Sie gehen in einen unserer gerühmten „Rindfleischtempel", bestellen Tafelspitz mit der Suppe vorweg und bekommen eine wässrige Brühe. Keine Einlage. Das Rindfleisch ist zäh und faserig, dazu gibt es einen Löffel alten Apfelkren. Als Nachspeise kommt ein eingetrockneter Vanillepudding. Die Bedienung fragt routinemäßig, ob es geschmeckt habe und als Sie sagen: „nicht wirklich", kommt die Antwort: „Was erwarten Sie denn für 28 €.-; dafür können wir keine Qualität liefern!"
Wir waren eine längere Weile in Frankreich unterwegs. Das hier ist in Cordes-en-Ciel, in der Nähe von Albi passiert. Im Restaurant warteten wir eine gehörige Weile. Als die Bedienung kamstellte sie ohne weitere Fragen gleich die unvermeidliche Gänsefettleber (foie gras) auf den Tisch. Diese hatte ihren Aufschnitt schon länger in einer Dose erwartet. Die Alternative bestand in einem „Frühlingssalat" aus zwei alten Scheiben Schinken, müdem Salat... Das Hauptgericht „cuisson", in dicker brauner Sauce eine Scheibe schnitt- und bissfestes Fleisch, kaute hingebungsvoll der Hund unterm Nachbartisch. Angesichts unserer kräftigen Verzehrbemühungen fragte der Kellner, ob es uns etwa nicht gefiele? „Nicht wirklich" - darauf kam die Antwort: „Das ist unser 28 € Menü, aber es gibt noch eine Nachspeise". „Ach" sagten wir, „auf die verzichten wir lieber". Der Kellner berichtete das umgehend an Madame und die erschien dann, stattlich, blondiert, um uns freundlich zu fragen, was wir denn für 28 € erwarteten? Für 28 € könne sie keine Qualität bieten.
Der 28 € - Frage, wie wir sie dann nannten, begegneten wir noch öfters. Im bereisten Süden Frankreichs auf dem flachen Land, in größeren Städten, in Tourismuszentren. Manchmal noch garniert mit einem Katzentisch wie in Cassis oder hochnäsigem Personal wie in Avignon.
Es ist doch kurios. Wenn man für 28 € nichts Ordentliches produzieren kann, muss man das nicht auf die Karte schreiben. Wer es für 28 € nicht schafft, kann es auch nicht à la Carte für 70 €. Das aber dürfte die gastronomische Absicht dahinter sein. Was uns sprachlos machte, ist diese direkt geäußerte Selbstverständlichkeit in der dortigen Gastronomie, Minderwertiges zu servieren.
Was wir erwarteten, das bekamen wir durchaus auch. Manche Sternerestaurants servieren mittags ein umwerfendes Menü für 30 € und auch sonst gibt es in Restaurants sehr ordentliche, z. T. kreative Menüs. Nur finden muss man die guten Restaurants. Der Guide Michelin 2011 war da keine große Hilfe, er hatte sie alle als empfehlenswert aufgelistet. Die Kompetenz einschlägiger Einheimischer äußerte sich gewöhnlich so: „Soll gut sein, war aber selber nicht dort!" Was uns blieb, war der eigene Augenschein - der Blick auf die Teller. Man kommt sich zwar etwas seltsam vor, wenn man ein Restaurant betritt und das Essen inspiziert... Aber mehr als einmal haben wir danach unter den erstaunten Blicken des Personals kehrt gemacht. Für uns sind 28 € ein Geld.