Man braucht es nicht zu übersetzen, jeder kennt das direkt aus dem Latein stammende Substantiv, das heutzutage im deutschsprachigen Raum sogar trendig im Gebrauch ist: Vino.
Es kommt einem allerdings etwas fremd vor, inmitten Südostasiens, in Vientiane, der Hauptstadt von Laos, dort wo das Stadtzentrum schon zu Ende und nur selten ein Tourist zu sehen ist, einen erstaunlich ordentlichen Laden für kostbare italienische Weine zu entdecken. Mehr als das: eine richtige Enoteca, in der man bei kundiger Beratung Spitzenweine, wie Nero D'Avola oder Brunello di Montalcino, probieren und kaufen kann. Die Schaufensterscheiben sind noch weihnachtlich dekoriert, glitzernde Neujahrswünsche sind hinzugekommen. Ja, man möchte auch die Lametta noch eine Weile da lassen, denn auf der Thanon Khounboulom ist ein wenig ‚Chinatown', bunte Papierstreifen und ähnlicher Kram sind hier sehr beliebt.
Vor zweieinhalb Jahre hat Gerardo Dereviziis diese meilenweit einzige Enoteca im ganzen Land eröffnet. Hier wohnt er inzwischen mit seiner Familie, und hier, in der staubigen Stadt am Mekong, wird er noch bleiben, weil das Geschäft floriert und auch für die Zukunft Erfolg verspricht.
Gerardo stammt aus einer italienischen Familie, die in der Gegend von Varese mit Lebensmitteln handelte. Er ist gelernter Koch und hat mehrere Jahre in der Gastronomie großer Hotelketten in Asien gearbeitet, lange auch in Shanghai und Hong Kong. Von Vientiane schätzt er die verschlafene Atmosphäre, die mit Frangipani-Bäumen gesäumten Straßen, die alten Gebäude aus der Kolonialzeit, den Alltagsrhythmus der Menschen. Er ist ein ruhiger Mann, der nicht viel von quirligen Orten am Meer hält und von emsigen Touristen Zentren. Bei Weinen setzt er auf Qualität und von dieser ist er bei italienischen Weinen fest überzeugt. In Asien würde man nur wenige Sorten davon kennen, nur die vier oder fünf Standardweine, die in allen Pizzerien günstig angeboten werden. Französische Rebsorten sind bekannter, sagt Gerardo, denn schließlich ist für Frankreich die Vermarktung der eigenen Weine in dieser früheren Kolonie unvergleichbar leicht gewesen.
Es tut sich einiges auf dem asiatischen Weinmarkt.
2013 hat Perfect China zum Beispiel das 25 Hektar große Weingut Val de Vie Estate in Südafrika, zwischen Paarl und Franschhoeck, übernommen. Das Unternehmen ist spezialisiert auf südfranzösische Rebsorten und hat schon im ersten Geschäftsjahr über 2,8 Milliarden Flaschen nach China exportiert. Damit konnte es 25% des gesamten Weinexportes Südafrikas nach Asien für sich beanspruchen. Mit dem Weinkonsum wachsen in China auch die Professionalität und die Kenntnisse im Bereich der eigenen Weinproduktion. In wenigen Jahren werden wir gute und teure chinesische Weine in den Regalen unserer Supermärkte haben. Wie Studien vom Euromonitor International belegen, wächst der Weinkonsum mit dem steigenden Wohlstand auch in Ländern wie Myanmar, Vietnam, Thailand und eben Laos, das 2012 der WTO beigetreten ist und zusätzliches Potential darstellt. Gleichzeitig erhöhen sich die Wertschätzung und die Lust zu differenzieren. Sogar ein Masseto Toscano, eine schwierig zu produzierende Weinrarität aus dem Gebiet um Bólgheri, die schon im Ankauf über 600 € pro Flasche kostet - weitere 600 € werden für Transportkosten und Steuern aufgeschlagen - lässt sich in diesen fernen Ländern nicht selten verkaufen. Immer mehr reiche Asiaten schätzen solche Kostbarkeiten und begehren, den eigenen Weinkeller damit zu schmücken. Bei solchen Top-Weinen geht es nicht nur um Genuss, sondern auch um Status-Symbole. Langsam kommt auch Leidenschaft ins Spiel.
In Asien schaut man stark auf Status: die gelben Nummer Schilder belegen in Laos beispielweise, dass man das Auto bezahlt hat; die Weißen zeigen der ganzen Stadt unmissverständlich, dass man noch Raten oder Kredite ausständig hat. Wie lässt sich aber die Tatsache erklären, dass so viele ‚voll-abbezahlte' Luxuswagen durch die Stadt fahren; dass sogar einige Jaguar und Ferrari hier durchkreuzen, wo es nicht einmal ordentliche Straßen gibt; in einem der ärmsten Länder der Welt? Tausende von Mönchen predigen tagaus tagein Mäßigung und Enthaltsamkeit, doch eine Antwort auf diese und andere Fragen liefern sie nicht. Der alte Spruch, dass sich in vino die Wahrheit offenbart, konnte sich in Asien noch nicht bewahrheiten.
Gerardo spricht nicht über Politik. Mit seinem Sales Manager Giorgio Ingravalle aus Bassano del Grappa, mit dem jüngst hinzugekommen deutschsprachigen Geschäftsführer Philipp Bode und seinen lokalen Mitarbeitern möchte er sich mit den besten italienischen Tropfen behaupten und dieses Marktsegment in Asien besetzen.
Mit einer erlesenen Auswahl von etwas mehr als 400 Etiketten scheint das Konzept des Italieners zu greifen. In einigen Wochen wird Gerardo noch einen Laden in Luang Prabang eröffnen, um im Norden des Landes präsent und auch von Hanoi besser erreichbar zu sein. Außerdem werden in Vientiane seine zwei italienischen Restaurants - nach einem ganz neuen Konzept - bald die Türen aufmachen.