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DERNDORFER Eva: Warum wir essen, was wir essen. Eine Entdeckungsreise zum persönlichen Geschmack. Krenn Verlag, Wien 2008

MAYRHOFER Lukas.   

Geschmäcker sind bekanntlich verschieden und de gustibus non est disputandum. Sich über Geschmack zu streiten, wäre nämlich im Fall von Essen und Trinken insofern unzweckmäßig und unangebracht, weil jeder Mensch von seinem ganz persönlichen Geschmack geprägt ist und gelenkt wird. Genau jenen unterschiedlich ausgeprägten Geschmackspräferenzen und Ernährungsgewohnheiten geht Eva Derndorfer in ihrem Buch auf den Grund. Im bereits 2008 erschienenen Leitfaden lädt die ausgebildete Sensorikerin und Ernährungswissenschaftlerin zu einem vergnüglichen „Streifzug durch das Leben", bei dem jeder Leser und jede Leserin mögliche Gründe für persönliche Vorlieben und Abneigungen hinsichtlich des eigenen Essverhaltens in Erfahrung bringen kann.

Das in drei Hauptkapitel gegliederte Werk beginnt mit der Suche nach der Entstehung unserer geschmacklichen Vorlieben, die durch die pränatale Prägung bereits im Mutterleib ihren Ausgangspunkt haben. Hier kann das Ernährungsverhalten der Mutter Einfluss auf spätere Präferenzen haben, muss aber nicht. Auch die Evolution spielt keine geringe Rolle: Faktum ist beispielsweise die jedem Menschen angeborene Vorliebe für Süßes, da es in der Natur fast keine süß schmeckenden und zugleich giftigen Nahrungsmittel gibt. Süß repräsentiert hier den sogenannten „Sicherheitsgeschmack der Evolution".

Ähnlich interessante Erkenntnisse sorgen in der Folge bei der Lektüre immer wieder für das eine oder andere Aha-Erlebnis, so z. B. auch die Tatsache, dass Kinder oftmals instinktiv zur richtigen Nahrung greifen, so man ihnen die freie Wahl lassen würde. Ebenso schlüssig und verständnisvoll gegenüber heranwachsenden Essern beschreibt Derndorfer die so genannte Neo-Phobie, das natürliche Misstrauen gegenüber neuen Lebensmitteln, das bei Zweijährigen vor allem in Bezug auf Obst und Gemüse auftritt. Mehr als mit der Erklärung dieses Phänomens ist vielen lesenden Eltern dann mit den zahlreichen Tipps geholfen, was man im Fall von gemüseverweigernden Kindern machen könnte und wie attraktive Abwechslung nicht nur auf den Teller, sondern schlussendlich auch in den Mund des einen oder anderen Suppenkaspars kommt.

Der zweite Teil des Buchs widmet sich individuellen Vorlieben - vom Reiz und von der Unverzichtbarkeit der Genussmittel (wie Schokolade oder Kaffee) über die Frage, ob bei Lebensmitteln biologischer Herkunft auch ein geschmacklicher Unterschied festzustellen ist.

Im abschließenden dritten Teil wird weniger dem Verbraucher als vielmehr den Lebensmitteln selbst Aufmerksamkeit geschenkt. Ein Fazit ist die Erkenntnis: „Was einmal war, wird wieder sein". Was bereits in der Antike bekannt und beliebt war, wie z. B. aromatisierte Öle, die Verwendung von Wildkräutern oder die Kombination der Geschmacksrichtungen süß und sauer, erfährt eine Renaissance in der Küche des beginnenden 21. Jahrhunderts. Bewusstes Konsumieren regionaler Produkte steht dabei einer weltoffenen Fusionsküche gegenüber, aus der Ingwer, Chili & Co. nicht mehr wegzudenken sind.

Durch seinen populärwissenschaftlichen Stil vermag das Buch ein breites Publikum anzusprechen und setzt darauf, in einfachen Sätzen zahlreiche Studien stark verknappt auf den Punkt zu bringen. Im Textfluss erleichtern fett gedruckte Kernaussagen und zusammenfassende Statements die Übersicht über das jeweils angesprochene Thema, verleiten allerdings auch ein wenig zum schnellen Überfliegen und Weiterblättern. Viele aktuelle Beispiele zum Zeitpunkt der Bucherscheinung, wie die Fußball-EM in Österreich und der Schweiz, aber auch anschauliche Beispiele mit Wienbezug werden eingebaut.

Die Anordnung der oft sehr kurz geratenen Kapitel lässt zwar manchmal keinen roten Faden erkennen, gestaltet die Lektüre aber durchaus abwechslungsreich. Leider schmälert ein teilweise sehr ungenaues Lektorat den Lesegenuss. Auch die Bildauswahl ist oftmals fragwürdig, erinnert eher an einen Ratgeber mit Verlegenheitsmotiven und geht aufgrund der optischen Überfrachtung leider zu Lasten eines ausführlicheren Textes.

Insgesamt bringt das Buch keine bahnbrechend neuen Erkenntnisse, bündelt aber wertvolle Quintessenzen aus unzähligen Studien, so dass nun in Summe ein handliches Nachschlagewerk für Interessierte unterschiedlicher Alters- und Fachgruppen vorliegt. Will man zu einem bestimmten Thema mehr erfahren, so ist die Einarbeitung in weiterführende Literatur empfehlenswert. Die mehrere Seiten umfassende Literaturliste bietet hier aber einen verlässlichen Ausgangspunkt.

RezWarumWirEssenWas (48k)

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DERNDORFER Eva: Warum wir essen, was wir essen. Eine Entdeckungsreise zum persönlichen Geschmack. Krenn Verlag, Wien 2008