Michael Beer legt mit seinem ersten Buch eine ansprechende Abhandlung über eine oft missachtete Seite der antiken Ernährungsweisen vor. Indem Beer Parallelen zwischen den heutigen und den damaligen Vorstellungen bezüglich Ernährung und zwischen den sehr unterschiedlichen Körperbildern in der Antike und der Postmoderne zieht, erkundet er die Wurzeln des aktuellen Ernährungsverhaltens. Dabei untersucht er vor allem berühmte Werke klassischer antiker Schriftsteller von Herodot über Homer, Plutarch und Seneca bis hin zu Plinius auf die Erwähnungen bestimmter Regelungen der Ernährung hin. Sein Ziel ist es letzten Endes, die Rolle bestimmter Speiserituale, -Vorschriften oder -Verbote in der Identitätsentwicklung des antiken Individuums sowie sozialer und religiöser Gruppen verschiedener Größe.
Taste or Taboo ist dank Beers reichem und fachspezifischem Vokabular, seines leserfreundlichen Stils und der expliziten Erwähnung der jeweiligen Originalquellen im Fließtext äußerst angenehm zu lesen. Positiv fällt des Weiteren auf, dass Beer den zu besprechenden Punkt unzweideutig definiert und stets klar und deutlich abgrenzt. Lästige Ambiguitäten oder Unsicherheiten auf Seiten der Leser werden so erfolgreich vermieden. Der Autor wägt sprachlich versiert unterschiedliche Fachmeinungen zu bestimmten Punkten gegeneinander ab und vermittelt dem interessierten Leser dadurch einen fundierten Überblick über den wissenschaftlichen Diskurs zu dem jeweiligen Thema. Ebenso wird auf die Problematik der weitestgehend fehlenden weiblichen Stimmen in der antiken Literatur hingewiesen, um diesen ansonsten unvermeidlichen Kritikpunkt vorweg zu nehmen. Als besonders benutzerfreundlich fallen die klar strukturierten, bibliographischen und inhaltlich-ergänzenden Anmerkungen in den Fußnoten auf, deren Platzierung am Seitenende einen schnellen und unkomplizierten Vergleich mit der entsprechenden Textstelle erlaubt. Der ausführliche Namen- und Stichworteindex am Buchende trägt wesentlich zur Erleichterung einer punktgenauen Informationssuche innerhalb dieses Werkes bei.
Die Bibliographie im Anhang weist eine Fülle an einschlägigen Fachpublikationen auf, die sich aber nach kurzer Betrachtung als nicht eben aktuell erweisen. Veröffentlichungen aus den 2000er Jahren sind unter den zahlreichen Werken aus beinah dem gesamten 20. Jahrhundert eher eine Seltenheit.
So klar und spannend der Autor auch bestimmte Gruppierungen wie Pythagoreer, ägyptische Priester und die Juden in der Diaspora auf ihre Ernährungsgewohnheiten hin analysiert, fehlt die Einordnung dieser wenigen Spezialfälle in das große Ganze der antiken Gesellschaft. Eine auch nur einigermaßen konkrete Vorstellung von einer „allgemein üblichen" Ernährung in der römischen und / oder griechischen Antike wird durch Taste or Taboo nicht vermittelt.
Als Einführung in die Ernährungsgewohnheiten der antiken Welt eignet sich Taste or Taboo, das sich auch nicht als solche definiert, nicht, bietet aber gemäß seinem Forschungsvorhaben detaillierte Informationen zu bestimmten antiken Gruppierungen und ihren jeweiligen ernährungstechnischen Besonderheiten.