„Bio ist gesund, natürlich, macht schön und ein gutes Gewissen. Na ja, nicht nur." (S.34)
Wenn der Untertitel verspricht, über die gängigsten Irrtümer rund um glückliche Kühe und gesunde Geschäfte aufzuklären, dann ist dies nach erfolgter Durchsicht als äußerst tiefstapelnde und sehr bescheidene Ankündigung zu werten! Groll und Loitzl bieten weit mehr, ihnen gelingt es, wie dies auch ein Kapitel im Titel zum Ausdruck bringt, C.S.I. - Methoden an der facettenreichen Lebensmittelindustrie vorzuführen und dabei erstaunlich objektiv vorzugehen. Aus kompakten und umfassend gegliederten Themenblöcken lassen sich inhaltlich leicht verdauliche Kapitel genießen, die mit Detailkenntnis und vielgestaltiger Information gut gewürzt sind.
Das Bild eines auf frischem Grün einsam wandelnden Schafes begrüßt den Interessierten, der sich nicht gleich in das Lektüreabenteuer stürzt, sondern durch die Einleitung etwas von dem Stallgeruch erfahren möchte, der die folgenden decouvrierenden Zeilen durchzieht. Das Schaf, das gemeinhin als orientierungsbedürftiges Tier gilt, wie es der heutige Mensch im Lebensmitteldschungel ebenso scheint, soll also auf sich allein gestellt bleiben, mit seinem erhobenen Haupt selbst die Richtung entscheiden und dem guten Hirten (den Bio-Päpsten!) nicht alles abnehmen, was diese(r) glauben machen will. Es scheint dies somit das Leitmuster der beiden Autoren zu sein, wie es auch eingangs Ausführung findet, dass es nicht um Abrechnungen oder gar Dämonisierungen von biologischen Lebensmittel handelt, vielmehr das Bewusstsein des Konsumenten hinter die Kulissen der Bio vermarktenden Branche geführt werden soll, um das dem Verbraucher aufgeführte Schauspiel kritisch verfolgen zu können. Denn nicht immer sind die Dinge so, wie sie scheinen! „Gedankliche Notwehr" (S.9.) ist dort vonnöten, wo Etikettenschwindel betrieben wird, wo nicht eingehaltene Erwartungshaltungen enttäuscht werden. Und dieser Notwehr einige Speerspitzen zu verleihen, dazu bricht das Autorenteam auf!
In fünf großen Themenbereichen versucht man dem Aufklärungsziel über die aktuelle Situation wie Strategien der „Bios" - wie diese immer als Kommunität begriffen werden - gerecht zu werden. Mit einigen Lebensmittelmythen, die durch die Etikettierung „BIO" garantiert sein solle, räumen Groll und Loitzl gleich zu Beginn auf! Weder ist biologische Frischkost wie Obst und Gemüse vitaminreicher als ihr konventionelles Pendant, noch ist in Produkten mit dem begehrten Gütesiegel die reinste Natur anzutreffen und schon gar nicht sorgt bio wie selbverständlich für einen ökologisch vertretbaren Einkaufskorb. Anhand einiger Produkte wie Eier, Milch, Schnitzel, Essig, etc. zeigen sich die Probleme und Schwachstellen ihrer Vermarktung als biologische Lebensmittel. Oftmals sind die gemischten Betriebe der Stein des Anstoßes, da sie unter dem Deckmantel des konzedierten Etikettes osmotisch zwischen konventionellen und ökologischen Anbauprodukten aussuchen könnten, bzw. gleicherarts bei Zuchtvieh verfahren, wie das Hühnerbeispiel lehrt (S. 39). Besonders genau müssen auch Wein, Olivenöl, Honig und v.a. Milch unter die Lupe genommen werden, um die gewerblichen Trittbrettfahrer ausfindig machen zu können. Wer hätte außerdem gedacht, dass Ei nicht gleich Ei ist, je nachdem ob es in der Schale als frisches Produkt konsumiert wird, oder eben versteckt in Teigwaren etc. an den Verbraucher gelangt. Darf man sich in ersterem Fall über exklusiv angewandtes Käfighaltungsverbot freuen, scheint dies in der verarbeitenden Industrie - und damit nicht nur in den Supermarktprodukten sondern auch in der Gastronomie - laut Groll und Loitzl nur spärlich bekannt zu sein.
Dass Bio nicht unbedingt gesund sein muss, möchte anhand des Schnitzels erklärt sein. Die Geschäfte allerdings, die mit dieser Etikettierung gemacht werden, werden jedenfalls als - einseitig - gesund angepriesen. Auf das Kleingedruckte ist zu achten, auch im Supermarkt! Ob es sich nun um die Gütesiegel, eventuelle produktfremde Beiwerke oder gar die dubiosen E-Nummern handelt - man wird als Leser nicht im Stich gelassen! Tiefe Entdeckungen bieten ferner die Erläuterungen zur (Nicht-)existenz von behördlichen Kontrollen in Gastronomie und Verkaufsläden und der Fall „Fair Trade", wobei wiederum mit sehr detailreichen Kenntnissen aufgewartet werden kann und - wie allerorts von den Autoren gehandhabt - gezielt mit Gesetzesartikeln und Statistiken zur Untermauerung der Argumente gearbeitet wird.
Abschließend gelangt man ad fontes, zu Bauer und Landwirtschaft. Auch hier nimmt man sich kein Blatt vor den Mund, erwähnt zahlreiche Skandale der Bioszene, räumt allerdings wiederum die Schadensbegrenzung ein, die gegenüber den konventionell wirtschaftenden Betrieben besteht. Dass allerdings bio mit „klein und fein" synonym zu setzen ist, davon raten die Autoren Abschied zu nehmen. Die Großen fressen die Kleinen - auch in der Bio-Branche. Bei Aufzeigen der gesetzlichen Handlungsspielrahmen schlagen einem die Ranken des EU-Verordnungs- wie Kontrolldschungels so richtig ins Gesicht, zeigen sich doch deutlich, welche Grenzen den jeweiligen Betrieben durch regelmäßige Kontrollen gesetzt sind. Dass diese eher im Verarbeitungsbereich schwanken, erschloss schon das vorherige Kapitel durch das Aufzeigen der Ausnahme von der Ausnahme...
Festzuhalten ist jedoch, dass trotz einiger von Groll und Loitzl aufgezeigten Änderungsbedürfnisse in der Bio-Branche diese Großteils ihren konventionellen Mitstreitern in manchen Bereichen um Nasenlängen voraus ist. Das betrifft etwa Anbaumethoden, wie auch Energieeffizienz, Tierhaltung oder die Qualität der vermarkteten Lebensmittel, wobei Aspekte wie Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit - die Schwächen der heimischen ÖPUL-Initiative werden aufgezeigt! - der biologischen Produkte dem Konsumenten weitgehend versichert werden können. Außerdem wird schlüssig dargelegt, warum biologische Betriebe gewinnbringender geführt werden können als die vergleichbar konventionellen. In Fragen des Geschmacks der biologischen Lebensmittel etwa sind sich die Autoren über genannten Vorsprung nicht sicher; schließlich kann man ja nicht alles haben!
„Die Schauplätze der Bio- Schlacht sind klar umgrenzt: Etikette, Siegel, Slogans sagen uns, was wir <...> an Bio-Ware bekommen. Nur glauben sollten wir das alles nicht immer." (S. 63)
„Nichts ist gerechtfertigter, als der marketingmäßigen Bio-Behübschung ein wenig den Schleier wegzuziehen." (S. 89)