Die „komplexe Triumphdarstellung" (S. 9), in der König Ludwig alpha und omega, Zentrum und Ziel des festiven Rahmens in Versailles spielte, möchte als Leitfaden der Arbeit Sammlers gelten. Vordergründig wird auf den kulturgeschichtlichen Rahmen Wert gelegt, die baugeschichtliche Entwicklung des Schlosses, der Gartenanlage und -architektonik, die Bedeutung der Künste und ihre Profilierung in den entstehenden Akademien der Malerei, Plastik, Musik und Tanz, schließlich auch auf Oper und Schauspiel, die metaphorisch Festkultur im absolutistischen Frankreich erfahren lassen. Der Fortschrittstopos, welcher sich im ingenuösen Zusammenhang von Mensch und Werk zeigt, wird aus kulturalistischer Perspektive nachgezeichnet: Wie André Lenôtre für den Gartenbau, so Lully, Corneille und Racine für die Oper. Deutlich betont Sammler die zweifache Verpflichtung künstlerischen Schaffens durch den Aspekt der sittsamen und zivilisierten Unterhaltsamkeit einerseits wie auch der machtpolitischen Instrumentalisierung andererseits. Die Etablierung von Versailles als Herrschaftszentrum gelingt wesentlich durch die ästhetische Aufladung des Ortes, in Spiel und Kunst. Sie verhindern den Schatten dort, wo nur die Sonne ihren Platz beansprucht, sie bieten dem König eine Plattform, die ihm Repräsentation, Machtdemonstration und imgleichen Verpflichtung seines Hofes wie auch des Volkes ermöglicht. Der Herrscher wird herkuleisch überhöht, meist in Form der Allegorie, im Feindeskampf gegen Mensch und Natur. Sammler gelingt es, durch die Darlegung von künstlerischer Entwicklung - in ihrer bewusst intendierten „französischen" Ausgestaltung - deren Wesen und Wert in ihrer die Königsherrschaft absichernden Ausrichtung festzumachen. Doch ist damit schon „Festkultur" definiert? Es lässt sich des Eindruckes nicht erwehren, das die zwar durchaus kompakte Synopsis dessen, was „Fest" bedingt und es konstituiert, an einer die einzelnen Aspekte verbindenden begrifflichen Orientierung mangelt, wobei die gegenseitige Verbindung bzw. Bedingung von Hof und Fest - damit auch die Skizze des spezifisch „Höfischen" des Festes - eindeutige Darlegung findet. Genügt der mehrfach wiederholte Verweis auf die machterhaltende Bewusstseinspolitik des Königs, um daraus das festive Prinzip abzuleiten? Müsste dieses nicht vielmehr gerade in einem dialektischen Wechselverhältnis zwischen intentioniertem und ästhetisch sich selbst genügendem Spiel gesucht werden, das somit die Gegenseitigkeit, die Reziprozität als Bestimmungs-Eigentliches herausstreicht? Sammler selbst stellt dies eingangs in den Begriffen von Verwandlung und Beherrschen (S. 8), abschließend von Verstellung (S. 101) dar, die topisch eine Wesensbestimmung von „Festkultur" vorzunehmen scheinen, belässt es jedoch weitgehend dabei. Was folgt ist eine nicht explizit in systemischen Zusammenhang gebrachte Darlegungen von kultur- wie geistesgeschichtlichen Voraussetzungen (Kunst, Literatur, Theater, etc.), den soziopolitischen (Abhängigkeits-) Verhältnissen des Versailler Hofes (Demonstration, Repräsentation von Macht, Verpflichtung des Adels an den Hof, etc.) und der Beispielwirkung dieses Ensembles für viele Höfe Europas, die zwar „Festlichkeit" in ihren Konstituanten wie Grenzen erkennen lassen - die Beweise werden hier sehr konkret und anschaulich geführt -, jedoch das Bild von „Fest" und letztlich damit von „Festkultur" unscharf belassen. Oder es bündelt sich dieses kulturelle Phänomen wirklich in der Person Ludwigs XIV, wie Sammler abschließend aufzeigen möchte, sich aufspannend zwischen "Eclat, gloire et divertissement" (S. 101). Das inszenierte Leben als Triumph mag als Angelpunkt des höfischen Festes dienen, mag die Hauptrolle darin spielen, doch den Geist des Stückes erklärt es ebenso wenig wie die Requisiten.