„Der Mensch wurde nicht als Konsument geboren" (S. 13), er muss erst einmal dazu gemacht werden, dazu bewegt werden, etwas „haben zu wollen", was er nicht unbedingt notwendig braucht, etwas zu erwerben, das über die „notwendigen Bedürfnisse hinausgeht. Sind diese in einer Gesellschaft erfüllt, müssen deswegen Wünsche erzeugt werden, um sie dann auf verschiedene Weise zu befriedigen. Dazu sollen zugleich noch andere Bedürfnisse, wie die Stärkung der Persönlichkeit, mit erfüllt werden.
Eine differenzierte Konsumkultur entstand erst seit dem 18. Jahrhundert, das Angebot steigerte sich, „Kolonialwaren" wurden importiert, Konsum konnte zum „Statussymbol" werden. Im 19. Jahrhundert erhob sich Kritik an vielen Produkten, die wegen der neuartigen maschinellen Herstellung für damalige Gefühle „unpersönlich" wurden, aus der Befürchtung heraus, das übertrüge sich auf die Menschen. Solche Kritik übersähe aber, dass durch den Kauf von „Markenartikeln" das Leben der Käufer intensiver und bewusster werde. „Für das Urteil, die Dinge hätten keine Substanz, gibt es also offenbar keine guten Gründe mehr." Das vielleicht auch deswegen, weil jetzt sehr viele Konsumgüter passgenauer auf Verbraucher zugeschnitten sind. Darum ist jetzt auch das Image der Person „hinter das der Dinge" zurückgetreten, entscheidend ist, ob die Dinge mit denen sich eine Person umgibt, zusammenpassen. Deswegen werden die Produkte positiv gestaltet, weisen als solche Eigenschaften und „begehrenswerte Seiten" auf. Sie erwecken die Illusion eigene Beschränktheiten zu überwinden, ausgedrückt in „Haben, um zu Werden" (S. 31). Marken kommt dabei eine große Rolle zu; diese treten selbst als Persönlichkeiten auf. Konsumgüter treten an die Stelle klassischer Bildungsgüter. So „malt mancher sich das eigene Leben, ausgehend von ... einer Espressomaschine als Erfolgsstory aus...". Statt höherer Ideologien trennen jetzt Kleidungsstück zwischen Freund und Feind, kennzeichnen Gruppen. Zugleich werden Markenprodukte zum Religionsersatz. Es werden keine Schuhe, sondern Träume verkauft, Sichtweisen und Gedanken. Geländewagen werden „oft nicht wegen des Gebrauchswerts" gekauft, „sondern um die eignen „Möglichkeiten" potentiell zu beleben. Es geht bei solchen Dingen um Überhöhung und Fiktionalisierung, was nie in der Praxis einlösbar ist. Shopping ist „Unterhaltung im Dialog mit sich selbst, die man so genießen kann, und damit eine angenehme Form, die eigene Individualität zu gestalten und über Schwächen oder Ängste hinweg zu fiktionalisieren". (S. 48)
Die Frage ist, ob nicht hier die Dinge auf den Kopf gestellt werden, ob nicht wirklich von den meisten ein fester Platz in der Gesellschaft gesucht wird, aber angesichts der realen Zustände nicht mehr gefunden werden kann. Da muss zwangsweise die Identität gewechselt werden und dieser Zwang könnte ein auslösendes Moment für Kompensation werden. Die Empfehlungen an Manager, ganz neue Seiten zu entfalten, etwa via Drachenfliegen, wird wohl von Einigen ernst genommen, vielleicht auch vom Autor selbst, liest sich aber für kritische Geister wie eine Persiflage.
Den Beschluss macht, für viele vielleicht überraschend, ein Kapitel mit der Rolle der Geisteswissenschaften. Dies liest sich als Bewerbungskapitel für Geisteswissenschaftler, die zu einem besseren und vertiefteren Marketing dank ihres profunden Wissens beitragen und die vorhandenen Mängel auch bessern könnten. Da spielt das Portfolio des Autors, der als Kunsthistoriker bei großen Konzernen beratend tätig war/ist, mit herein. Die Ambivalenz des Buches rührt wohl auch daher: mit seinem kritischen Bewusstsein arbeitet er für die entsprechende Industrie und leistet damit einen Beitrag, damit noch mehr Menschen noch mehr haben wollen. Das Buch drückt den Optimismus aus der Zeit vor der jetzigen Wirtschaftskrise aus, mit der nicht bedachten Möglichkeit, dass sich alles so schnell ändern könnte. Heute wirkt dieser Optimismus allerdings fragwürdig und die Paradoxie noch stärker. Das Buch freilich gehört zur Grundlagenliteratur. Es verlangt, wie alle Literatur, eine kritische, reflexive Lektüre, womit sich der Leser seines eigenen Standpunktes und auch seiner Handlungen bewusst werden kann.