Biologie, Geschichte, Niederländisch und Archäologie: Ebenso vielfältig wie die Studienfächer der Autorin Sabine Merta präsentiert sich ihr aktuelles Buch „Schlank! Ein Körperkult der Moderne". Denn in diesem steht zwar - wie schon im Titel ersichtlich ist - der (moderne) Schlankheitswahn durchaus im Zentrum der Untersuchung, doch zeichnet sich ihr Werk vor allem durch zahlreiche, hervorragend recherchierte und voller feiner Details präsentierter Subthemen aus, die allesamt in die Kategorien „Ernährung", „Gesundheit", und „Körper" fallen.
Damit muss aber gleichzeitig schon hier zu Beginn eine kleine Schwäche des Buches angesprochen werden: Es ist erdrückend. Es ist erdrückend reich an Informationen, Erzählsträngen und kleinerer Untersuchungsschwerpunkte - ein roter Faden lässt sich schwer auf den ersten Blick ausmachen, ist doch das Inhaltsverzeichnis in punkto Liebe zum Detail doch etwas ausgeartet: So gliedert sich der erste Teil des Buches etwa in vier Kapitel, die nochmals in insgesamt 45 Unterkapitel zerlegt werden.
Einen wesentlich übersichtlicheren Eindruck kann man sich in der „Einführung" machen, wo Sabine Merta den Leser/der Leserin auf die nächsten knapp 400 Seiten vorbereitet. Schon hier wird klar: Es geht der Autorin in der Folge gerade um den historischen Ursprung und die Entwicklungszusammenhänge der Diätkost und Schlankheitsmode, wovon in der Forschung bislang relativ wenig - gerade in monographischer Hinsicht - die Rede war. So wurden Diät und Schönheit bislang zumeist nur aus speziellen Blickwinkeln gesehen, vor allem aus psychologischen, medizinischen oder soziologischen Sichten, ohne sie vor ihrem allgemeinen historischen Hintergrund zu reflektieren, wie die Autorin selbst auch kritisiert.
Vor allem folgende drei Fragen stehen in Sabine Mertas Fokus:
Die Untersuchung beschäftigt sich nun vor allem mit alternativen Ernährungsformen, speziellen Diäten und deren Zusammenhang mit der Entwicklung verschiedener Körperkulturen.
Den zeitlichen Ausgangspunkt der Arbeit und vieler Entwicklungen auf dem Gebiet der frühen Gesundheitsbewegung setzt die Autorin mit der Naturphilosophie des 18. Jahrhunderts fest, (S. 14) denn diese bildet schließlich den Überbau für die Naturheilbewegung und die sich daraus formierende und alle Lebensbereiche einschließende Reformbewegung, gipfelnd im Health Movement der 1920er und 1930er. Hier endet das Buch thematisch und zeitlich, am Höhepunkt des modernen Schönheitskults, wo nun die jugendlich-schlanke „Normalgestalt" zelebriert wurde. Ein kurzer Ausblick auf den zweiten Höhepunkt des modernen Schönheitskultes in den 1960ern folgt noch und damit auch der Aufstieg der Magersucht und Essstörungen, der sich bis heute ungebrochen fortsetzt.
Insgesamt gelingt es der Autorin auf überzeugende Art und Weise, einen Zusammenhang zwischen „Diätidealen" und „Körperidealen" in der Geschichte der Menschheit herzustellen - und das mit spannenden und detaillierten Kurzaufsätzen wie etwa über die ärztlichen Entfettungsmethoden im 19. Jahrhundert oder der Untersuchung, ob es schon Essstörungen bei den Griechen gegeben hat.
Sabine Mertas Fazit ist klar: Essverhalten und Körperideale haben stets miteinander korreliert, wobei gerade kulturelle Wandlungsprozesse wie Urbanisierung und Industrialisierung als Motor des modernen Schlankheitskults fungierten.
Heute ist die Fettleibigkeit zur Volkskrankheit geworden. Die Übergewichtsbekämpfung wird daher, so die Autorin, wohl immer mehr zur neuen sozialen Frage unserer modernen Wohlstandsgesellschaft (S.9). Kein Wunder, zählen zu den Hauptsünden der Gesellschaft schließlich fettes Essen und Bewegungsarmut. Das liegt gerade am Ideal des athletisch-schlanken, sonnengebräunten Körpers, der aber nicht erst eine Erfindung der Nullerjahre ist.