„Iris hat ein Abo für die Kinderausgabe von National Geographic. <...> Auf der Rückseite ist meist ein süßes Tier mit einer Denkblase abgebildet, in die man etwas hineinschreiben kann. Bei der letzten Ausgabe handelte es sich um eine Bulldogge, die auf eine Gummiente hinunterschaute. Iris meinte, die Bulldogge würde denken: 'Ich möchte gebratene Entenkeule!'
Ich kann das erklären <...>." (S. 49)
Die von Matthew Amster-Burton und seiner Tochter Iris erlebten Kulinarischen Abenteuer geben Stoff für ein ganz und gar außergewöhnliches Werk. Humorvoll und liebenswert erzählt der Autor von seinem alltäglichen Kampf für gutes Essen, denn Iris hat oft ganz andere Vorstellungen als ihre Eltern, wenn es darum geht, die Mahlzeiten auszuwählen.
Besonders unterhaltsam beschreibt Amster-Burton seine wenig bescheidene Anfangszeit als kochender Familienvater. Stolz rühmte er sich vor Freunden und Bekannten, ein Baby zu haben, das scharfe Enchiladas, Kohlsprossen, Sushi und Piroggen esse - was freilich auf seine hervorragenden Kochkünste und seine Einstellung zum Thema Babynahrung zurückzuführen sei: „Leute ohne Kinder, die meine Prahlerei hörten, waren beeindruckt - die mit Kindern nicht, weil sie ein Geheimnis kennen: Alle Zweijährigen sind wählerischer als alle Einjährigen, und Dreijährige sind noch schlimmer. Das Durchschnitts-Einjährige ist so wählerisch wie eine Ziege, noch immer berauscht von dem Wissen, dass es eine ganze Reihe von Dingen gibt, die es in den Mund stecken kann, ohne dass Vater oder Mutter sie schreiend wieder rausholen." (S. 106)
Die aus dieser Erkenntnis resultierende Desillusion tut der Liebe zum gemeinsamen Kochen und Essen keinen Abbruch; Amster-Burton macht es sich vielmehr zum Ziel, für sich und seine Familie neue, alternative Kombinationen auszuwählen, um von Zeit zu Zeit wieder Erfolge am Esstisch feiern zu können - und zwar ganz ohne die sonst üblichen Druck- und Schwindelmittel wie „Iss auf, sonst gibt es keinen Nachtisch!" oder verstecktes Gemüse.
Trotzdem verzichtet er nicht auf Gerichte, die ihm und seiner Frau Laurie schmecken, denn genau darauf gründen seine beiden „Regeln der Babynahrung". Regel Nr. 1 besagt: So etwas wie Babynahrung gibt es nicht. Babys und Kleinkinder können fast jedes Gericht mit ihren Eltern teilen - entsprechend zerkleinert oder püriert und evtl. etwas weniger scharf (aber nicht vollkommen ungewürzt!). Regel Nr. 2: Wenn das Essen auf dem Tisch steht, ist die Aufgabe beendet. Mutter oder Vater müssen sich nicht schlecht, gekränkt oder enttäuscht fühlen, wenn das Essen verweigert wird - und das ist auch nicht schlimm, denn es gibt andere Tage mit anderen Zutaten.
Auf diese Weise sind die Kulinarischen Abenteuer gleichzeitig witziger Erfahrungsbericht, hilfreicher Ratgeber und tröstliche Unterstützung für entnervte Eltern. Amster-Burton hat es sich zum Ziel gemacht, die von ihm im Genre der Baby-Kochbücher vermisste „Geschichte<> über echte Eltern und echte Kinder, die gemeinsam etwas über Essen lernen - und dabei Überraschungen erleben und auch mal Fehler machen" (S. 11) zu schreiben.
Das Buch ist aber noch vielseitiger verwendbar, denn am Ende eines jeden Kapitels finden sich thematisch passende Rezepte (insgesamt 41), die von der scharfen Kritikerin Iris für familientauglich befunden wurden und die sich auch zum gemeinsamen Kochen eignen. Die unterschiedichsten Gerichte (schnell und einfach, bodenständig, kompliziert oder exotisch) können ausprobiert werden, wie etwa Mini-Frittata mit Champignons, Enten-Ragout, Forelle mit Fenchel, Gebratene Pastinaken, Thai Curry mit Garnelen - oder mein persönlicher Favorit, Irischer Porridge mit kandiertem Bacon.
Insgesamt betrachtet handelt es sich um ein durchwegs lesenswertes Buch mit vielen schönen Ideen und unterhaltsamen Anekdoten - zum Selberlesen oder Verschenken. Wer gerne kocht und isst, kann sich regelrecht von Amster-Burtons Begeisterung anstecken lassen. Denn von welchem Kochbuch kann schon behauptet werden, dass es Spaß und Hunger macht?
„Als ich das Backenfleisch des Fischs
Ich war einverstanden und suchte nach weiterem Backenfleisch.
'Da ist ein Bäckchen', sagte Iris und zeigte auf den Fischkopf.
'Nein, das ist das Auge.'
'Ich will das Auge essen.'
'Bist du dir sicher?'
'Ja.' Sie nahm es in den Mund und kaute es. 'Es ist breiig! Warum ist es breiig?'
'Augäpfel sind nun mal so', erklärte Laurie ihr.
Iris dachte darüber nach und verlangte dann das andere Auge." (S. 116)