Das Buch „Fair kochen" enthält 137 Rezepte, mit dem Fokus auf Speisen, für deren Zubereitung man Produkte aus fairem Handel bekommt. Schon die Geschichte des Buches ist, wie dem Buch zu entnehmen ist, interessant: Die Rezeptesammlung ging aus einem Wettbewerb hervor, die Einsendungen wurden von Spezialisten bewertet und wohl teilweise auch in der Formulierung vereinheitlicht. Dazu kommen Rezepte, um die Prominente gebeten wurden - in der deutschen Ausgabe sind dies u. a. die ehemalige deutsche Landwirtschafts- und Verbraucherministerin Renate Künast oder Dietmar Bär und Klaus J. Behrendt, die Darsteller von „Tatort"-Kommissaren. Die Prominenten bekommen auch Raum, um ihren Zugang zum fairen Handel in einigen Zeilen zu erläutern. Im Buch finden sich zu einer Vielzahl von Rezepten animierende ganzseitige Fotos, die grafische Umsetzung ist übersichtlich, die Rezepte wirken allesamt gut nachkochbar und realistisch. Das Format des Buches macht zwar in der großzügigen Gestaltung Zugeständnisse ans Auge, das ja bekanntlich mitisst, passt aber aufgeschlagen doch noch grade auf einen von natürlich fair gehandelten Mangos, Erdnüssen und Orangen blockierten Küchentisch. Ein übersichtliches Inhaltsverzeichnis, ein Register, das auch die enthaltenen Gemüse berücksichtigt (Wohltat! wenn schon, hat man eher Brokkoli übrig und sucht eine Verwendung, als vier Lammkeulen), und weiterführende Infos zu Fairtrade-Bezugsquellen runden das Werk ab. Bei der Auswahl der Rezepte fällt der hohe Anteil an Süßspeisen auf: Rund zwei Drittel aller Rezepte zählen dazu.
Damit wären wir bei den ersten Überlegungen zu einer möglichen Zielgruppe für dieses Buch: Sind es noch die gesundheitsbewussten und tendenziell, sagen wir: genussskeptischen „Körndlfresser" alten Stils, die - wenn ethisch bewegt - neben katholischen Aktivistinnen zu den ersten Stammkunden der einstigen „Dritte-Welt-Läden" in den 1980er-Jahren gehörten? Wohl nicht - der faire Handel hat sich in den letzten drei Jahrzehnten zu einer zwar leisen, aber immer deutlicher vernehmbaren Stimme im Konzert der Lebensmittelhändler entwickelt. Mehr als 800 Produkte, von Kaffee- und Schokoladespezialitäten über Gewürze bis zu Säften, Weinen, Obst, Süßwaren, ja sogar weißem Rum, sind bereits im Spezialhandel, im Internet und teilweise in gut sortierten Supermärkten erhältlich. Die breite Nachfrage wird wohl auch von der „Generation Golf" kommen, die in ihrer Jugend noch „Jute statt Plastik" zu hören bekam und sich mit der Anti-Atom-Bewegung (D) oder den Besetzern der Hainburger Au (Ö) identifizierte. Es mögen viele darunter sein, für die sich „Genuss" nicht nur aus hoher Qualität und guten Rezepten und netter Gesellschaft buchstabiert, sondern auch aus dem guten Gefühl, die Herkunft der verwendeten Produkte zu kennen und zu wissen, dass die Hersteller menschenwürdige Preise für ihre Arbeit bezahlt bekommen.
Die Rezensentin zählt sich zu dieser vermuteten Zielgruppe. Sie kocht besonders gerne asiatisch oder mediterran, ist seit zwei Jahrzehnten Weltladen-Stammkundin und findet in dem vorliegenden Buch viele hochinteressante Anregungen. Auch die Verknüpfung mit Kurzporträts von Menschen, die fair gehandelte Produkte herstellen, erhöht den Reiz des Eine-Welt-Kochens beträchtlich. Dieser Hintergrund ist es aber auch, der die Rezensentin besonders genau hinschauen ließ - und da dem Buch eine bald in Druck gehende zweite Auflage zu wünschen ist, wo dann Gelegenheit für Verbesserungen ist, hier nun auch einige kritische Anmerkungen zur ersten Auflage:
In den Zutatenlisten sind jene Produkte, die im fairen Handel erhältlich sind, mit Sternchen gekennzeichnet. Diese Kennzeichnung wird nicht durchgehalten, eine Auswahl: schwarzer Pfeffer - kein Sternchen auf S. 24 oder S. 133, sehr wohl ein Sternchen auf S. 27; Kurkuma (kein Sternchen S. 30, mit: S. 128); Zitrone (mit: S. 25; statt Sternchen Prosa „fair gehandelt" S. 126; Prosa plus Sternchen S. 153); Kürbiskerne (kein Sternchen S. 99; mit: S. 126).
Ebenfalls in den Zutatenlisten hat man wohl von den einreichenden Autoren manche Anregung „... in Bio-Qualität" übernommen; auch dies ist bei Weitem nicht einheitlich gehandhabt (z. B. S. 158 „Kakaopulver aus Bioanbau", S. 180 „Kakaopulver" ohne weitere Angabe) und stört eher beim Lesen, ist mein Eindruck. Die Rezensentin schlägt vor: weg damit - wer so bewusst kocht, greift auch im Supermarkt zur Bio-Alternative, ohne extra durch das Kochbuch darauf hingewiesen werden zu müssen.
Ja, und wo wir bei den Zutaten sind: „Fair kochen" ist mit seinem ethischen Ansatz auf der Höhe der Zeit. Wo es diesen Anspruch jedoch nur selektiv einlöst, ist der ganze Kontext „Klimawandel": Am Schluss des Buches wird zwar dazu aufgefordert, Bio- und regional erhältliche Produkte zu bevorzugen, und auch ein deutscher Bundesverband der Regionalbewegung ist angeführt - Eine Welt goes deutsches Dorf, sehr gut! - Aber: Ressourcenschonung durch bewusst wenig Fleischverzehr hätte auch noch gut hineingepasst, etwa durch das Nennen von ernährungsphysiologisch sinnvollen, eiweißhaltigen Alternativen, wenn es um Fleischrezepte geht: Tofu, Kichererbsen (die man übrigens nicht nur gekocht in der Dose kaufen kann, wie S. 33 suggeriert wird, sondern auch mit kleinerem ökologischen Rucksack getrocknet im Beutel), überhaupt Hülsenfrüchte, Seitan-Produkte, Linsen ...
Positiv fällt auf, dass die Rezepte global sind, sie reichen von deutschen/österreichischen Armen Rittern/Pofesen (die zweimal richtig so geschrieben werden, einmal S. 7 falsch als „Profesen") bis zu Malawischem Süßkartoffelpüree mit Erdnüssen. Sogar eine Variante des alten „Mohren im Hemd" findet sich wieder, allerdings wurde er seines Hemdes aus Schlagobers entkleidet und bekam die zwar politisch korrekte, aber doch etwas nach bundesdeutschem Speisekartensprech klingende Bezeichnung „Heiße Napfküchlein mit flüssigem Schokoladenkern". O tempora, o Mohren ...
Die weiterführenden Links am Ende des Buches sind hilfreich, und es wäre wünschenswert, würden bei einer Neuauflage auch die Schweiz und Österreich berücksichtigt.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass „Fair kochen" ein echter Gewinn für die Küche der Freunde weltweiten guten Geschmacks ist.