Das vorliegende Buch umfasst 254 Seiten, ist in 17 Abschnitte gegliedert, reich bebildert und deckt dabei die Epochen von der Germanenzeit über Klosterküche und das Mittelalter bis zu „barocken Exzessen", der Küche der DDR, „German Food worldwide" und der aktuellen Gourmetszene ab. Dabei geht der deutsche Autor - der bereits 2006 mit einer Kulturgeschichte der italienischen Küche hervorgetreten ist - mit der kulinarischen Gegenwartskultur seiner Landsleute schon im Vorwort, das sinnigerweise unter dem Titel „Aschenbrödel deutsche Küche?" steht, nicht zimperlich um, wenn er die Diagnose des SPIEGEL-Autors Ullrich Fichtner vom „kulinarischen Zivilisationsrückstand" zitiert, ergänzt von „esskulturellem Proletentum als eigentlicher deutscher Leitkultur". Auf diese deftigen Stücke folgen aber auch milde Aussagen, etwa die geschichtliche Beobachtung, dass mehr als die Hälfte aller Rezeptsammlungen, die aus dem Heiligen Römischen Reich deutscher Nation überliefert sind, aus dem Gebiet des heutigen Deutschland stammen, oder dass Deutschland jenes Land war, in dem 1598 das erste Kochbuch in Druck ging, das von einer Frau verfasst worden war. Seiner Lage inmitten verschiedener Nachbarkulturen verdanke Deutschland eine ganz besondere Vielfalt an kochkulturellen Einflüssen, die sich heute als Fundus für eine moderne Regionalküche erweisen.
Die Abschnitte des Buches enthalten immer ein Zwillingspaket, bestehend einerseits aus einem kulturhistorischen Abriss (z. B. „Der Teutsche säuft getrost - eine Kultur des Trinkens?") und andererseits aus einer Fokussierung auf ein bestimmtes Lebensmittel im Laufe der Zeit (z. B. „Wein"). Das gibt dem umfassend mit seinem Stoff vertrauten Autor die Gelegenheit, im Ton eines wissenden Flaneurs so manches Vorurteil aufzuklären - etwa, dass Sauerkraut eine deutsche Erfindung sei, wie noch Heinrich Heine dichtend mutmaßte; es sei vielmehr erst lange nach den Germanenzeiten bekannt geworden, als man im 13. Jahrhundert in Schlesien auf mongolische Heere getroffen sei. Auch die Ernährung der Germanen habe nicht dem von antiken Autoren in die Welt gesetzten Klischee (viel Fleisch, Milch und reichlich Met und Bier) entsprochen, vielmehr bestätigen archäologische Befunde vorwiegend Dinkelbrei und Hülsenfrüchte, ergänzt durch Wildfrüchte und Honig und im Norden durch Fische. Das Bierbrauen, wie auch so gut wie alle Gerätschaften und Namen der Küche, den Ackerbau, fast alle Obst-, Gemüse- und Gewürzsorten, ja auch Brezeln und Semmeln, den Weinbau und die Herstellung von Würsten haben die Germanen von den Römern übernommen. Zwischen dieser Aufklärung bleibt genügend Raum für gelehrige Anmerkungen, etwa dass das Germanenwort „Met" für den Honigwein urverwandt ist mit dem indoeuropäischen Sanskritwort „madhu", was so viel wie „süß" heißt. Aber auch Humor blitzt immer wieder auf, z. B. in den Bildunterschriften zu den zahlreichen Illustrationen oder wenn Peter bei der Ernährung der Germanen auch Cäsar ins Spiel bringt: „Sporadisch wurde Wild wie Rothirsch und Auerochs gebraten (...). Ist Cäsar mit seiner Schmonzette, dass die Germanen Bäume ansägen, so dass daran schlummernde Elche umstürzen, der Nestor des Jägerlateins?" (S. 13)
Dem Abschnitt zu „Milch und Käse" vorangestellt ist als kulturhistorischen Zwilling die Geschichte der ersten Schriftstellerin, die vom Verkauf ihrer Bücher leben konnte - es handelt sich um Henriette Davidis (1801-1876), die 1844 ihr „Praktisches Kochbuch" veröffentlichte. Allein zu ihren Lebzeiten erschienen 21 Auflagen, und selbst heute ist die jüngste überarbeitete Auflage nicht älter als 13 Jahre (1997!). Die Autorin bezweckte mit ihrem bahnbrechenden Buch, einerseits den zahlreichen Mädchen aus armen Familien, die bereits alphabetisiert waren und in städtischen Haushalten „in Stellung" gehen wollten, bessere Berufschancen zu ermöglichen, andererseits sollte es auch eine Hilfe für jungverheiratete Bürgersfrauen sein, die erst in die Leitung eines größeren Haushaltes hineinwachsen mussten. Schon damals entbrannte in deutschen Landen eine ideologische Debatte: Mancher Autor stellte die „Gelehrsamkeits- und Künstler-Koketterie" (S. 131) manch eines bürgerlichen Fräuleins in kritischen Kontrast zum erwünschten Hausfrauendasein, das in Verbindung mit dem Autarkie-Ideal der Zeit (alles selbst machen!) eine Vollzeitbeschäftigung war, die keinen Platz für höhere Bildung oder Schöngeisterei ließ. Den Bogen zur Gegenwart schlägt Peter mit einer Vermutung, die einiges für sich hat - die Rezensentin denkt dabei an manche (österreichische) Freundin, die Kochen als Schulfach erlebte und es für Jahre verleidet bekam: „Kochen wird zur Pflichterfüllung. Dass es auch Spaß machen kann, scheinen all die bienenfleißigen und bierernsten Kochbuchautorinnen zu vergessen (...). Haben sie mit dieser Mentalität dem Abschied vieler moderner Frauen von der Küche (...) Vorschub geleistet?" (S. 132)
Über die beiden Weltkriege mit ihren Hungerjahren, der ideologischen Anprangerung von Schlemmerei und der Mangelküche mit ihren vielen Ersatzprodukten schreibt Peter, diese Epoche habe „bis heute das unterbewusste Essverhalten der meisten Deutschen geprägt" (S. 173). In der Zwischenkriegszeit kamen jedoch auch Ernährungstrends auf, die bis heute lebendig sind, etwa „Iss dich schlank", das Vegetariertum oder der Kult um Müsli und Rohkost. Einen großen historischen Kreis schließt Peter, indem er bemerkt, das Küchenideal der Zeit der vielen kleinen Fürstentümer in Deutschland „sehnte sich nach dem großen kulinarischen Parkett"; heute hingegen, in der Zeit der Globalisierung, sei auch in Deutschland der Wert einer neuen, selbstbewussten Regionalküche wieder im Steigen (S. 208). Peter führt auch eine Reihe von Initiativen an, die das kulturelle Erbe alter Haustierrassen, Obstsorten und Produktionsweisen bewahren.
Diese im Vergleich zur Fülle des Buches winzigen Ausschnitte sollen einen Geschmack davon geben, auf welche spannende Reise der Autor die Leserinnen und Leser seiner „Kulturgeschichte der deutschen Küche" mitnimmt. Er wird seiner im Vorwort geäußerten Absicht voll und ganz gerecht, einen „positiv gewichteten Abriss deutscher Kochkunst und Speisekultur" (S. 10) schreiben zu wollen. Ergänzt wird das Werk durch ein Literaturverzeichnis und ein Verzeichnis der in den Text passend exemplarisch eingestreuten Rezepte, die von antikem Getreidebrei bis zu Eckart Witzigmann reichen.