Wir haben die Rezension dieses Buches für diese Ausgabe aufgespart. Wenn es einen Prototyp gibt für ein Kochbuch, das regionale Küche expressiv zeigen will, dann dieses. Es ist derartig schwer nostalgisch aufgemacht, dass es sich schon fast selbst karikiert. Greifen wir nur einmal das „Dürnsteiner Weinhuhn mit Eierschwammerl" heraus. Die Seite mit dem Rezept simuliert einen Riss im Papier, die Überschrift des Rezeptes ist in Frakturschrift, das Bild zeigt auf einer naturbelassenen Tischplatte eine ovale Auftragsform, in der die braunen Geflügelteile in einer ebenso braunen Sauce liegen, daneben finden sich Tannenzapfen, Moos, ein Preiselbeerstrunk und etliche verstreute Eierschwammerl - Tischdekoration? Auch andere Bebilderungen folgen voll der Stereotypie von „Tradition", das Zanderfilet in Erdäpfelkruste liegt in einer nur noch als museal zu bezeichnenden Eisenpfanne, leicht angehoben durch eine blecherne Bratschaufel, wahrscheinlich aus einer Ära noch vor dem Barock. Das Ganze ruht auf einer rot-weiß karierten Serviette. Wir haben also die ganz klassischen Insignien, rohes Holz, Leinenservietten, einfaches, sichtlich vielfachst ge- und abgenutzte Teller, Reindel, Servierbesteck und Besteck. Die Rezepte, alle auf gelblich fleckigem Papier gedruckt, sollen den Anschein erwecken, als ob sie original aus uralten Zeiten stammten. Der Setzkasten, jetzt also der Computer, darf zeigen, was für diverse Schrifttypen und Schriftbilder er gespeichert hat. Kein Rezept gleicht typographisch einem anderen.
Die Rezepte, 96 an der Zahl, wurden aus 1500 eingesandten ausgewählt, die Kriterien bleiben offen. Sie sollten „den Geschmack der Heimat" wiederspiegeln. Nur was ist das - keine Erklärungen! Witzig ist das „Salzburger Nockerl auf Wiener Art", wobei das Kuratorium in einem eigenen Kästchen als „Tipp" vermerkt, die „klassischen Salzburger Nockerl wurden der Legende nach von der Geliebten des Erzbischofs Wolf Dietrich von Raitenau erfunden". Wenn der Schmäh uralt ist, wird er nicht wahrer. Das Rezept setzt eine „Email-Pfanne" voraus, aber wie es die Bebilderung zeigt, geht es ganz offensichtlich auch in einer Tonauflaufform! Manche Gerichte sind sehr „traditionell" und es fragt sich, wer „Lavanttaler Leberlan" mit einer Fülle aus Schweinsbeuschel, Schweinsherz und Schweinsleber heute noch zubereitet. Gleiches gilt für das „Melker Kalbskopfwandel", wozu man einen kleinen halbierten Kalbskopf benötigt. Das Kochbuch gliedert sich in Vorspeisen, wie Karpfensulz, Presswurst, Schinkenaufstrich, aber auch Ziegenkäse im Speckmantel auf Blattsalat. Es kommen dann die Suppen, Hubertussuppe, Kirchtagssuppe, Räucherfischsuppe, dann Fisch als Hauptspeise, Fisch-Pörkelt, Forellenfilet mit Grünspargelschnitzerl, Karpfen in schwarzer Sauce, Fleischhauptgerichte, Fleischknödel, gebackener Kalbsschweif, geröstete Nierndel, Thalgauer Kletzenbraten, fleischlose Gerichte wie Kärntner Kasnudel, Pressknödel, Schwammerlsterz und als Dessert Topfentorte, Mostkuchen, Omas Über-Drüber-Schnitten, Scheiterhaufen, Traunkirchner Torte. Die Gerichte sind ausführlich beschrieben, die Bebilderung ist nicht besonders appetitanregend. Alles wirkt sehr gestrig - wer kocht heute noch so schwer „traditionellst"?