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MÜLLER-KAMPEL Beatrix, SCHMUTZ Wolfgang: Williges Fleisch, schwaches Federvieh. Das österreichische Literaturkochbuch. Mandelbaum-Verlag, Wien 2009

Lukas MAYRHOFER.   

Vom Einkaufen bei der Greißlerin über das kulinarische Vortasten aus der Vorstadt zum Flair eines innerstädtischen Cafés und dem eigentlichen Verzehr ausgewählter Speisen in der Weite der österreichischen Kochlandschaft: In dem im Jahr 2009 im Mandelbaum Verlag erschienenen „österreichischen Literaturkochbuch" spannen die Herausgeber Beatrix Müller-Kampel und Wolfgang Schmutz einen geschmackvollen Bogen. Die Autoren, ihres Zeichens Germanisten und augenscheinliche Feinschmecker, haben Textausschnitte österreichischer Literaten von der frühen Neuzeit bis heute, die sämtlich die mehr oder weniger genussvolle Nahrungsaufnahme und das dazugehörige Ambiente zum Thema haben, gesammelt und wagen somit eine „motivgeschichtliche Verquickung von Literatur und Essen".

Inhaltlicher Aufhänger und strukturgebende Kapitel sind dabei entweder verschiedene Stationen des Verzehrs (das Wiener Café und Beisl, diverse Tischgesellschaften) oder unabdingbare Bestandteile einer typischen österreichischen Speisenfolge (Fleisch, Wurst, Kompott, Mehlspeisen), wobei in klassisch österreichischer Manier auch der psychoanalytischen Reflexion sowie dem Verdauen und den krankhaften Gelüsten in Bezug auf Essen und Trinken ein eigenes Kapitel (Am stillen Örtchen & Auf der Couch) gewidmet ist.

 

Die ausgewählten Textbeispiele begleiten den Leser einerseits durch ca. 300 Jahre österreichische Literaturgeschichte und sind andererseits Wegweiser und anregende Lektüre für etwaige Menüplanungen und Reminiszenz an oftmals vergessene Speisen.

Jedem Textausschnitt folgt ein kurzer Kommentar, der zusätzliche Informationen zu Autor oder der beschriebenen Speise liefert. Danach folgt die Angabe eines Rezepts, das sich inhaltlich mit dem literarischen Exempel deckt oder aber fantasievoll in eine Abwandlung mündet. So liest man in einem Ausschnitt von Grillparzers Selbstbiographie von dessen schwerem Fieberanfall mit anschließend schwerer Krankheit, nach der er durch den Verzehr von Hasenbraten mit Knödeln und frischen Zwetschgen frisch vom Baum wieder zu Kräften kommt. Müller-Kampel und Schmutz kombinieren beides für das folgende Rezept und raten zu Zwetschkenknödeln.

Viele der hintangestellten Rezepte sind Kochbuchklassikern entnommen: die Süddeutsche Küche der Katharina Prato fehlt ebenso wenig wie Anna Bauers oder Olga und Adolf Hess' Wiener Küche. Beim Lesen überkommt einen unweigerlich die Lust, das eine oder andere zu probieren - wenn schon nicht in der eigenen Küche, dann zumindest als Kunde bei einem der letzten Wiener Fleischhauer oder als Besucher beim Grinzinger Heurigen.

 

Die variantenreiche Textauswahl umfasst Epik, Lyrik und Dramatik und lässt Johann Nestroy, Peter Altenberg, Franz Kafka, Werner Schwab, Thomas Bernhard, Ernst Jandl und Friedrich Achleitner gleich mehrmals literarisch zu Wort kommen. Weibliche Autoren werden - bis auf Marie von Ebner-Eschenbach, Trude Marzik und Marta Karlweis - nicht angeführt, was ein wenig schmerzt und an die Gepflogenheiten der Haute Cuisine erinnert, wo auch zumeist den männlichen Spitzenköchen Aufmerksamkeit zukommt, während die tatsächlichen Urheberinnen von Rezepttradition und Alltagsküche vergessen werden. Eine Lilian Faschinger in der Kategorie „Mehlspeisen sowie kleine Bäckereien" beispielsweise hätte den ohnehin schon abwechslungsreichen kulinarischen Reigen noch mehr versüßt und ihm ein wenig Verve verliehen.

Dennoch ist das Buch ein eindrucksvoller Querschnitt durch die österreichische Literaturlandschaft, wo Genussfreude gar nicht immer vorrangig sein muss, wie etwa im Textausschnitt von Franz Innerhofers Schöne Tage, wo der Krapfen lediglich der Stärkung nach der harten Feldarbeit und keinesfalls dem Genuss dient. Auch Ungustiöses kommt zum Vorschein, wenn etwa in einem von Werner Schwabs Fäkaliendramen ein kleiner rustikaler Happen bestellt wird, der aus Gulaschsuppe, Schmalzbrot mit Ketchup bzw. Beuschelsuppe mit Käsetoast und Obstler besteht. Die Lust, sich im Anschluss an die Lektüre ans Gulaschkochen zu machen, hält sich eher in Grenzen, ist aber nicht Hauptintention des Buchs. Denn als richtiges Kochbuch darf es wohl nicht verstanden werden, ist es doch eher ein anregendes Amuse-Gueule in schriftlicher Form, das kurzweiliges Schmökern garantiert. So fragt man sich, an welchem Platz im Regal man es platzieren soll: zwischen einem Lyrikband Ernst Jandls und der Gesamtausgabe Thomas Bernhards oder doch bei Frau Prato und dem Sacher-Kochbuch? Bis zur Entscheidungsfindung liest man besser einfach ein Kapitel mehr und kauft sich im Anschluss einen - nicht mehr ganz so saisonalen - Faschingskrapfen.

RezWilligesFleisch (35k)

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MÜLLER-KAMPEL Beatrix, SCHMUTZ Wolfgang: Williges Fleisch, schwaches Federvieh. Mandelbaum Verlag, Wien 2009