Von der Exotik und der kolonialen Geschichte Süd-Indiens inspiriert, machte sich der Historiker und Autor des Buches „Tee: Eine Kulturgeschichte", Martin Krieger, mit der gesamten Familie auf nach Nilgiris, in den Blauen Bergen. Nach einer Fahrt mit dem Nilgiri-Express im Dorf angekommen, bezogen sie das Niton Edge Cottage, ein altes Häuschen im englischen Stil mit einem kleinen Teegarten. Vergleichbar mit den Teepflanzen in diesem Garten, verhält es sich mit den kulturgeschichtlichen Interessen des Autors. So fielen seine Nachforschungen auf fruchtbaren Boden und zeigen ihre Blüte im vollendeten Werk.
Der Klappentext streicht die breit gefächerten Perspektiven des Buches hervor, was Teeinteressenten und Wissenschaftler im gleichen Maße zum Kauf des Buches anregen soll. Nach den ersten Kapiteln wird klar, dass der Schein der äußeren Hülle nicht zu viel versprochen hat, denn mit romantischen Darstellungen und detailreichen Beschreibungen versucht Krieger in die Geschichte des Tees einzutauchen. Zuerst versucht der Verfasser aufzuzeigen, von wo die Teepflanze ursprünglich kommt, deren Verbreitung nachzuvollziehen, sowie auch den Ursprung des Wortes „Tee" zu ermitteln. Ebenso finden sich zahlreiche Statistiken über Teeexporte einzelner Regionen, Karten und Zitate von Teehändlern und Wissenschaftlern, die versuchen, das Geheimnis, das sich hinter der aromatischen Pflanze verbirgt, zu entschlüsseln. Um die Beschreibungen noch zusätzlich zu visualisieren, befinden sich in der Mitte des Buches einige Hochglanzabbildungen von verschiedenen Teegärten, Handelsstützpunkten, Szenen vom berühmten „five o´clock tea", oder von der Teeverarbeitung. Zugleich wird der kulturelle Aspekt der Teepflanze geschildert, der von einem teuren und seltenen Arzneimittel und Getränk für die Oberschicht zu einem Massenprodukt im 18. Jahrhundert mutierte. Auch befasst sich Krieger mit den verschiedenen Verarbeitungsmöglichkeiten, wobei auch kurz die daraus resultierenden schwarzen, grünen und weißen Tees näher erklärt werden. Ein besonderer Schwerpunkt wird aber auch auf die Anbauregionen, deren Entstehung und deren Anteil am Exportgeschäft gelegt. Fernerhin sind die einzelnen europäischen Handelskompanien aufgelistet, gleichfalls ihre Aktivitäten im Bereich des heutigen China und Indien offen gelegt.
In einem kurzen Vorwort spricht sich der Autor dafür aus, mit dem Buch Aufmerksamkeit erregen zu wollen, um den tausenden schlecht bezahlten und diskriminierten Arbeitern auf den Teeplantagen mehr Anerkennung zukommen zu lassen. Der Apell für die Durchsetzung der Menschenrechte und Gleichberechtigung findet hingegen auf den restlichen 263 Seiten keinen Widerhall. Neben Zahlen der steigenden Ernteerträge, Gewinne für die Handelsunternehmer und der Zerstörung der Umwelt haben Beschreibungen von unterdrückten Plantagenarbeitern nur wenig Platz. Das Hauptaugenmerk liegt eindeutig auf den europäischen Händlern, deren Gewinnen, Plantagengründungen und technischen sowie wissenschaftlichen Fortschritten. Werden die Menschen aus dem Westen als besonders fortschrittlich und modern dargestellt, so verblassen die Jahrhunderte alten Weisheiten der Chinesen. Dass der Tee eine belebende Wirkung auf Geist und Seele hat, war den Asiaten längst vor den europäischen Wissenschaftlern bekannt, doch ein regelrechter Lobgesang wird nur für die westlichen Intelektuellen angestimmt. Der entbrannte Machtkampf um den Teehandel zwischen den europäischen Nationen wird genauestens beleuchtet, jedoch der bittere Beigeschmack der menschenunwürdigen Versklavung von tausenden Chinesen und Indern wird, wie so häufig auch beim Tee, nahezu systematisch totgeschwiegen. Ebenso werden die positiven Nachwirkungen der Kolonialzeit in Indien den negativen vorgezogen, wobei einen am Ende des Buches das Gefühl beschleicht, es sei ein Werk, um sich zu rechtfertigen.
Trotz der teilweise romantisierten und verschleierten Tatsachen weißt das Buch einen sehr guten historischen Wert auf und bietet einen hervorragenden Einblick in die Welt des Tees, sodass man die annehmlichen getrockneten Blätter aus dem Osten in einer Zeit des Massenkonsums wieder mehr schätzen lernt.