Jetzt ist schon wieder was passiert. Und der Brenner hats nicht gemerkt. Sitzt in seinem Lieblingsbeisl und kaut auf diesem Burenhäutl herum, das heißt, eigentlich ists kein richtiges Burenhäutl, sondern so ein gatschiges Tofu-Etwas. Zerfällt beim Anschneiden, hat nur mehr entfernte Ähnlichkeit mit der Würstlstanddelikatesse von einst, quasi kulinarische Dysfunktion.
So beginnt die Kriminalgroteske, zu der sich Jakob Hein vom Modevegetarismus inspirieren hat lassen, nicht. Sein handliches Opus fand enthusiastisches Echo, z. B. in der Hamburger „Zeit": „brillante Komik in Prosaform", als deren „Pate Franz Kafkas ‚Bericht an eine Akademie' gelten darf".
Ein Ich-Erzähler breitet die schwerwiegenden biographischen Konsequenzen aus, die sich aus seinem Entschluss ergeben haben, für einige Jahre von seiner gewohnten Fleischesserei Abstand zu nehmen. Es beginnt mit Entkräftung, geht weiter mit Libidoverlust (und das ist erst der Anfang des Malheurs), dem Tragen von schlabbrigen Latzhosen, Jobverlust, es folgen Abhandenkommen der Ehefrau, Depressionen und dann die Annäherung an eine klandestine Fleischessersekte, was schlussendlich ihm - und nicht nur ihm - zum Verhängnis werden soll. Umfeld ist eine fiktive Gesellschaft, in der ökologisch korrektes Verhalten zur dumpfen Massennorm geworden und aller Spaß gewichen ist.
Es ist amüsant zu lesen, wie ein Nischenthema wie Fleischverzicht in der Mitte des deutschen literarischen Humors angekommen ist. Stark strapaziert werden wenige Stilmittel, vornehmlich das der Übertreibung („bei vegetarischer Ernährung reiche die Durchblutung einfach nicht für einen Penis aus, das sei eine ganz normale Nebenwirkung") und gelegentlich augenzwinkernde Kolportagehaftigkeit („Insbesondere einigen Herrschaften aus den oberen Etagen der großen Tofu-Kartelle wird dieses Buch nicht gefallen"). Am meisten auf die Schenkel klopfen dürften sich jedoch bei der Lektüre jene Menschen, die eine ähnliche Ernährungsphilosophie haben wie der Ich-Erzähler: „Mir schmeckt ein Gericht, wenn es mich satt macht, und wenn ich danach immer noch hungrig bin, dann ist es nicht mein Geschmack." Und von Brot und Beilagen kann der arme Kerl einfach nie satt werden - man könnte das als durchaus berechtigte Kritik an der kulinarischen Qualität vieler vegetarischer Verlegenheitslösungen in heutigen fleischzentrierten Gaststätten lesen. Die Plausibilität leidet da jedoch: Es ist ja gerade das jetzige nichtvegetarische Zeitalter, das solche lustlosen Kreationen hervorbringt.
Die Rezensentin denkt bei dem humorigen, Klischees strapazierenden Text von Hein weniger an Kafka als „Paten", eher an die Großen der grotesken Übertreibung in der deutschsprachigen Literatur, etwa Fritz von Herzmanovsky-Orlando, und dieser Vergleich kommt nicht ohne Wehmut aus. Wolf Haas, übernehmen Sie!