Amélie Schenk ist Ethnologin und Lehrbeauftragte an der Benares Hindu Universität in Indien, wobei ihre Spezialgebiete das Schamanentum und das Heilweisen sind. Vor über 20 Jahren wagte sie die erste Reise in die Mongolei, die für sie bis heute nichts von ihrem Zauber verloren hat. 2011 folgte nun bereits ihr fünftes Buch über dieses Land mit dem Titel „Königshuhn & Stutenmilch: Eine Reise durch die Kochtöpfe der Mongolei". Aber nicht nur durch ihre wissenschaftlichen Publikationen möchte sie auf das kulturelle Erbe der Nomaden in der Mongolei hinweisen, sondern auch als Mitgründerin des Vereins „Freunde des Altai e. V.", der sich dem Schutz der Nomaden-Kultur vor der Modernisierung verschrieben hat.
Bereits der Klappentext weist auf eine spannende Kochlektüre und Kulturgeschichte der Mongolei hin, wobei das Werk auch als solches gelesen werden muss. Denn dieses Buch handelt in erster Linie vom Leben in der Mongolei, wo das Kochen, die verschiedenen Rezepte und Bräuche eine zentrale Rolle spielen. Vorurteile über die Mongolen, wie das Essen von rohem Fleisch, oder der Aderlass bei Pferden zum Trinken von frischem Blut, werden in Amélie Schenks Werk von der raffinierten und erfinderischen Küche „hinweg gekocht". So stellt sich schnell heraus, dass den Europäern die mongolische Küche nicht so fremd ist, wie man zu Beginn denken möchte. Denn man kann bereits auf den ersten Seiten des Kochbuches diätetische Vorstellungen entdecken, gleichfalls eine genaue Einteilung der Speisen in dementsprechende Parameter, wie Jahreszeiten, Körpersäfte, Farben und Geschmackseigenschaften (scharf, sauer, bitter, trocken, salzig und süß). Weiß steht bei den Mongolen für etwas Reines und Heiliges, das nicht verschwendet werden darf und sich hauptsächlich auf die Milchprodukte bezieht. Gelb steht für das Fett, das in der Mongolei auf Grund des kalten Winters überlebenswichtig für die Nomaden ist. Grün ist die Farbe verschiedenster Getreidesorten und von Gemüse, das jedoch gesammelt und nicht angebaut wird. Mit Rot werden alle möglichen Fleischsorten bezeichnet, welche die Hauptnahrungsquelle in den Wintermonaten stellen.
Nicht nur die mongolische Diätetik zeugt von einer hochstehenden Kultur, ebenso finden sich spezielle Tischmanieren und Zubereitungsrituale, die den europäischen ähneln. In Europa ist es üblich den Älteren den Vortritt bei der Verteilung der Speisen zukommen zu lassen, ebenso erhalten sie die besten Stücke des Mahles. In der Mongolei verhält es sich nicht anders, so werden auch hier die älteren Mitmenschen einer Jurte bevorzugt. Um die Kultur der Mongolen noch besser beschreiben zu können, werden in dem Kochbuch auch Redewendungen und alttradierte Fabeln angeführt, welche den Leser noch tiefer in die fernen Landschaften eintauchen lassen. Des Öfteren kommen auch Geschichten von historischen Persönlichkeiten, wie Dschingis Kahn oder Kubilai Kahn vor, die einen Einblick in das Moralverständnis der Mongolen liefern sollen.
Trotz der ausführlichen Beschreibungen zu Land und Kultur, finden auch zahlreiche Rezepte Eingang in das Buch. Des Weiteren hilft ein Glossar bei der Erklärung von speziellen Namen und unbekannten Lebensmitteln. Wobei diese noch einmal verdeutlichen, wie eng die Menschen mit der Natur verbunden sind und wie sehr sie die Umwelt achten. Man stellt mit Erstaunen fest, wie viele Rezepte es für die Milchverarbeitung gibt und wie wenige Geschmacksverstärker sie für die Zubereitung der Speisen verwenden. Wegen der biologischen Haltung von Haustieren und der naturbelassenen, eingesammelten Nahrungsmittel, behalten diese einen starken und intensiven Eigengeschmack, wodurch Salz und Pfeffer überflüssig werden. Ebenso wird darauf geachtet, nichts von den Lebensmitteln zu verschwenden, ein geschlachtetes Rind wird zum Beispiel bis zu den Knochen verwertet. Bereits im Buch erwähnt wird die Schwierigkeit beim Nachkochen der Rezepte, da viele Zutaten nur schwer erhältlich, oder wetterbedingt nicht nachkochbar sind. Trotzdem bleibt das gesamte Werk ein Schatz, dem man viele Lebensweisheiten abgewinnen kann, die auch von der westlich orientierten und „modernen Welt" wieder mehr berücksichtigt werden sollten, um zu einem gesunden und glücklichen Leben zurück finden zu können.