Der Wiener Kneipp-Verlag ist seiner Leserschaft gut bekannt für eine Vielzahl ausgezeichneter Nachschlagewerke zum wahlverwandten Themenbereich von Gesundheit&Genuss. In diesem Sinne fügen sich die beiden Ernährungsexperten nahtlos dem entsprechenden Verlagsbild ein: Die Ernährungswissenschaftlerin und Gesundheitspsychologin Univ.-Doz. Dr. Ingrid Kiefer und der Leiter der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde des Landesklinikums St. Pölten, Prim. Univ.-Prof. Dr. Karl Zwiauer, sind die Autoren eines unlängst erschienenen Ratgebers für unsichere Eltern, die ihrem 4- bis 12-jährigen Nachwuchs optimale Mahlzeiten bereiten wollen.
Vorweg darf behauptet werden, dass den im Buch angegebenen Fachinformationen (etwa hinsichtlich des richtigen Nährstoffbedarfs oder der für Kinder empfohlenen Flüssigkeitsmengen) auch durchwegs vertrauensvoll zugestimmt werden kann. Die wissenschaftlich belegten Fakten sind fundiert, gut recherchiert und selbst für Laien verständlich aufbereitet. Auch die Ambition der Autoren, mit so genannten „Ernährungsmythen" aufzuräumen (wie etwa „Fette sind schlecht"), ist jedenfalls unterstützenswert.
Die Art und Weise der Präsentation aber, die Kiefer und Zwiauer dabei einsetzen, bedürfte einiger sorgfältiger Korrekturen. Schon das Layout des Buches vermag nicht zu überzeugen: Die Sprache besteht zum großen Teil aus Hauptsatzketten, die zu fragmentarischen Satzblöcken aneinandergereiht wurden. Einer großformatigen Überschrift folgen stets nur ein paar eilige Sätze, sodass auf einer Seite bis zu vier derartige (in Ermangelung eines besseren Wortes) „Kapitel" Platz finden, deren Inhalt aufgrund der gewählten Form häufig recht dürftig ist.
Doch vor allem die zahlreichen unkommentierten Äußerungen der Autoren, die stark nach intuitiver Volksmeinung riechen, berauben das Buch seiner Glaubwürdigkeit. Möglicherweise stellt sich der Verlag aber auch selbst ein Bein, denn der vermessene Titel lässt kaum Freiraum für wissenschaftsarme Spekulationen, sondern pocht auf sattelfeste Belege. Besonders wild jongliert wird etwa mit geschlechtertheoretischen Stereotypen, die keineswegs modernen, wissenschaftlichen Standards entsprechen. So heißt es etwa:
„Schlank und schön zählt mehr als groß und stark
Popeye, der Seemann, der in kritischen Situationen immer Spinat isst, ist nur Vobild für Jungen, die natürlich auch alle groß und stark sein möchten. Für Mädchen hingegen spielt das Image ,stark' eine eher untergeordnete Rolle. Deshalb essen Jungen lieber Spinat als Mädchen." (Anm.: Ende des Kapitels. Darauf folgt eine nicht weiter damit in Zusammenhang stehende Überschrift.)
Oder:
„Verbote bewirken das Gegenteil
<...> Zumeist handelt es sich bei dem verbotenen Essen um geschmacklich besonders interessante, süße oder fettreiche Lebensmittel. Sie werden durch das Verbot noch erstrebenswerter. Der Wunsch, sie zu bekommen, wird stärker und die Wahrscheinlichkeit, dass sie dann gegessen werden, wenn es niemand sieht, wenn gar kein Hunger da ist, steigt, besonders bei übergewichtigen Mädchen." (Anm.: Eine Erklärung, weshalb Mädchen angeblich stärker von Lebensmittelverboten beeinflusst werden, bleiben die Autoren ihren Lesern schuldig.)
Oder - mein persönlicher Favorit:
„Fleischlos glücklich?
Kinder, besonders Mädchen, die sich intensiver mit Tierschutz beschäftigen, werden oft von einem Tag zum anderen Vegetarier. <...> Wenn sich Ihr Kind schon fleischlos ernährt, dann sollten auf alle Fälle täglich Milch und Milchprodukte sowie regelmäßig auch Eier auf dem Speiseplan stehen. Außerdem sollten bei jeder Mahlzeit eiweißreiche Lebensmittel gemeinsam gegessen werden. <...> Durch gute Lebensmittelauswahl können mit einer so genannten ovo-lakto-vegetabilen Kost Mädchen ausreichend ernährt werden." (Anm.: Ende des Kapitels. Bleibt nur zu hoffen, dass die Leser keine Söhne haben, die sich fleischlos ernähren möchten.)
Die 19 Rezepte im hinteren Teil des Buches sind leider allesamt recht einfallslos und simpel. Wenngleich es nicht meine Absicht ist, einfache Thunfisch- oder Gemüsespaghetti abzuwerten (wenn es einmal schnell gehen muss, sind derartige Genüsse sicher eine gute Alternative zum Stopp beim großen, gelben „M"), so hätte man doch zumindest an dieser Stelle ein wenig Kreativität erwarten können. Verantwortungsvolle Eltern kennen üblicherweise die Standardgerichte, die sie ihren Kleinen guten Gewissens vorsetzen können - und für einen Brei aus Haferflocken, Hirseflocken, Milch und Banane (oder für Rezept 2: Müsli aus Haferflocken, Hirseflocken, Joghurt und Banane), brauchen sicher die wenigsten ein „Rezept".
Anzumerken bleibt, dass zukünftig weniger auf die beeindruckenden Curricula Vitae der Autoren denn auf einen ansprechenden Inhalt geachtet werden sollte. Der positiv geratene Teil des Werkes sind übersichtliche Nährstoff- und Kalorientabellen, die allerdings anderen Publikationen entnommen wurden (etwa aus KIEFER Ingrid: Kalorienfibel Nahrungsmittel. Kneipp-Verlag, Wien 2011).