Als Mediävist fängt man gleich dort an, und liest: „...das Mittelalter ersetzt das römische Reich nicht nur durch neue politische, sondern auch soziale Systeme. In einer Zeit vieler Umbrüche ist das Thema Sex zwar nicht unbedingt eines der vorrangigen, seit dem 2. Jahrhundert wird jedoch die Frage der Jungfernschaft Marias immer wieder erörtert. Im Zuge einer gesteigerten Ablehnung jeglicher Sexualität wurde Maria zunehmend idealisiert und damit die These zur Jungfräulichkeit zum Kuriosum für alle Ungläubigen... Mit der allgemeinen Christianisierung setzte sich das Augustinische Prinzip der Ökonomisierung von Sex durch, speziell inoffiziell wird so viel gezeugt, dass auch andere Beweggründe anzunehmen sind, nicht nur mancher später in Klöstern gefundener Sex-Spielzeuge aus Holz wegen."
Was sagt man dazu? So querdurch geht es im ganzen Buch dahin, irgendetwas wird angerissen, dann vergessen. Was sind die „neuen sozialen Systeme im Mittelalter"? Was hat „inoffizielle" Zeugung mit Holzdildos in Klöstern zu tun? Warum waren „schon damals Kinder erbrechtlich gesehen des Vaters Feind"? Was hat es „mit dem mittelalterlichen Kreislauf von Sex, Kindern und Mönchtum zu tun? Bei der „prominentesten Liebesgeschichte des Mittelalters, die des Abaelardes" ist Philosophie „eine Modeerscheinung". Abaelard und seine Schülerin erweitern den Privatunterricht „um ein Praxismodul", bei dem Heloise nach Aussage ihres Lehrers „Leistungen zeigt, die über den Anforderungen liegen". Hildegard von Bingen war keine Klausnerin, woher sie „ihr Know How nimmt" ist durchaus bekannt. So geht es lebhaft dahin...
Es ist ein Sammelsurium aus Angelesenem, Banalitäten, gewollt poppig geschrieben. Die Autoren werten munter aus ihrer Zeitgeistigkeit, legen dafür das nicht explizit gemachte Beurteilungskriterium „Liebe" an. Für sie bildet diese den Grundstock des menschlichen „Miteinanders". Die immanente Kritik an Philosophen, die sich für Libertinität aussprachen, erklärt sich auch von daher. Da viele Texte aber - zeit-/textbedingt nicht direkt von der Liebe sprechen, „Leerstellen" aufweisen, können diese nicht immer gleich solche „des Denkens" sein. Kurzschluss!
Das Literaturverzeichnis umfasst viele Titel, die Anmerkungen bringen viel weniger, die benutzten Werke sind oftmals unzureichend bibliographisch erfasst. Was etwa Abaelard angeht, scheint das gesamte Wissen aus der Einleitung der deutschen Übersetzung geschöpft.
Sinnlichkeit und Wollust sind Fehlstellen. Irgendwie kommt es mir zusammengerührt vor wie eine moderne Fertigsuppe. Besser ist es, gleich die entsprechenden Autoren zu lesen oder der Erkenntnis der Einleitung zu folgen, wonach eine solche „Theorie niemals Praxis ersetzen kann" und statt solcher Lektüre flugs zu dieser überzugehen.