Wofür lohnt es sich eigentlich zu leben? In dem Buch bleibt es bei der rhetorischen Frage, also bei einer, auf die keine Antwort zu erwarten ist. Tatsächlich bekommt man auch keine. „Sicherheit, Gesundheit, Kosteneffizienz" werden in unserer Gesellschaft als „höchste Güter" behandelt, wofür Lebensqualität, die Bürgerrechte, die soziale Absicherung, Genuss, Würde, Eleganz und Intellektualität geopfert werden. „Wir lassen uns wie Kinder" behandeln. Dieses gründet sich auf eine ästhetische Schwäche: „Die Unfähigkeit, jene Bedingungen herzustellen und zu schätzen bei denen so anstößige Dinge wie Feiern, Tabak, Alkohol, Sex, schwarzer Humor, müßiges Nachdenken etc. als lustvoll erlebt werden können." Die Frage zu stellen, „wofür es sich zu leben lohnt", erscheine momentan als „typisches Krankheitssymptom". Pfaller schlägt, auch nicht gerade neu, die Komik als Mittel des Widerstands vor. Das war zwar postmodern, doch dagegen wendet sich der Autor ebenfalls. Das Stilmittel der Komik, so kann man hier ergänzen, ist die Ironie. Wendet man dies auf das Buch an, so lässt es sich als österreichische philosophische Abhandlung zur Rettung und Bewahrung der hierzulande besonders ausgeprägten Nikotinsucht lesen. Ob Alkohol trinken, rauchen, Fleisch essen bis in die 60er Jahre außerhalb der Werbung wirklich „glamourös, elegant und großartig lustvoll erschienen", ist zu hinterfragen, wie auch der folgende Umschlag ins „Ekelige, politisch Fragwürdige". Schön dualistisch wird dabei aufgebauscht und verabsolutiert. Gibt eine Zigarette in der Besprechungspause „den Beteiligten einen bestimmten Glanz, eine Würde"? Ist Nikotin das Mittel, um sich „bewusst zu werden, dass" man lebt - lächerlich.
Gegen den Strich lesend, kann man sich gut amüsieren. Die neoliberale Gesellschaft entzieht „der breiten Mehrheit... gewaltsam ... kollektive Genussressourcen...". Kein Champagner mehr fürs Prekariat! Keine Zigarren mehr für Harz IV Empfänger! Ein Glas Wein gilt nunmehr als moralisch indiskutabel und ekelhaft und wird durch „rafting" ersetzt!
Die angekündigte „Komödie des Materialismus" erscheint nicht in diesem Buch. Eine Textanalyse nach Hayden White erweist im Gegenteil, dass durchwegs im tragödischen Stile geschrieben wird. Gegen die Tragödie, die das „Scheitern postuliert" wendet sich aber Pfaller auf allen Seiten dieses Werkes. Wiederum spezifischer, österreichischer Befindlichkeiten dürften sich die Kapitel über den Neid verdanken. Dahinter steckt eine narzisstische Logik - ein großer Teil Psychologie ist in dieses Werk eingeflossen, wesentlich Freud und Lancan. Eine Lösung der gegenwärtigen Probleme besteht darin „den Primat des Adverbs gegenüber dem Adjektiv" zu stärken. Denn „wirkliche Eleganz besteht... nicht darin, ausschließlich elegante Dinge zu akzeptieren, sondern vielmehr darin, ein elegantes Verhältnis zu den eleganten Dingen aufzubauen... Man muss auf elegante Weise elegant sein. Das bedeutet, dass man auch keine ... Rolle spielen sollte, sondern seine Rolle gut spielen. Es kann das als Akt des Widerstands gesehen werden". Das ist einsichtig, wenn hier ein Philosoph gut spielt! Die andere Frage wäre, ob Pfaller auch ein guter Philosoph ist! Weiter gedacht: ob es etwas bringt, wenn ein Baggerführer seine Rolle gut spielt oder eine Bäckereiverkäuferin! Das letzte Kapitel, „wofür leben wir", liest sich als eingefügter Aufsatz einer Auseinandersetzung zwischen Bataille und Huizinga. Schließlich habe die Gattung des Kochbuchs einen „soziologischen Quantensprung durchgemacht". Das entspricht dem, was man als „Kulturkapitalismus" bezeichnen kann, wobei mit „der Ware ein Stück Leben gekauft wird". Das Kochbuch wäre dann lediglich ein „Requisit für eine Erfahrung, für die Teilhabe an einem bestimmten Lebensstil oder einer Überzeugung". Es wäre „nur der sehnsüchtige, symbolische Ersatz für ein Feld von Erfahrungen, das unwiederbringlich verloren gegangen ist." Das Resümee: unsere „aktuelle Kultur (hat) ein Problem mit dem Genuss. Es wird dem Genuss ausgewichen, ein Kochbuch gekauft, statt selbst zu kochen. Wer allerdings kocht, tue dies „aus gesteigertem Gesundheitsbewußtsein", um zu verhindern, irgendetwas „Ungutes, Ungesundes essen" zu müssen. Statt der „Transformation ins Sublime" erfolgen lauter Verbote.
Es werden da etliche Popanze aufgebaut und auf diese wortgewaltig eingeschlagen. Das macht mächtig Eindruck - aber tieferen Sinn?