Lojze Wieser, kreativer Kopf und mutiger Verlagsgründer, Kulinariker aus Leidenschaft, Jahrgang 1954, hat hier eine Art poetischer Würdigung der Küche seiner Kindheit vorgelegt - bereichert um launige Anekdoten und das Wissen des erwachsenen Hobbykochs und weitgereisten Feinschmeckers. Das hübsche kleine Büchlein umfasst 126 locker bedruckte Seiten mit einigen Abbildungen.
Polenta. Jej. Iss. Der Morgen feucht und dunkel, die Küchenbirne brennt. Mitten auf dem Tisch der dampfende Topf. Es roch nach Kaffe - nach Lindekaffee -, heißer Milch und Grammeln (p. 22).
Mit wenigen Pinselstrichen entwirft Wieser hier eine archetypische Frühstücksszene - immerhin aus den 1950er- und 1960er-Jahren -, die einem vergangenen Jahrhundert anzugehören scheint. Oder über den sommerlichen Dorfkirchtag im Kapitel „Masunjak oder der Hadnschmalzmus hockt sich nieder":
Es war eine Präsentation der Kochkunst der Hausfrau. Diese wollten sich die nahen und die fernen Verwandten nicht entgehen lassen, war es doch das einzige Mal im Jahr, wo sie sich so richtig festlich und ohne Rücksicht zu nehmen vollschlagen konnten", ... „Und keine (Hausfrau) riskierte es, sich nachsagen zu lassen, dass sie die Kirchtagssuppe nicht mit 36 verschiedenen Zutaten gemacht habe. (pp. 33 und 35)
Neben diesen in den vielen farbigen, duftenden Details spannend zu lesenden Geschichten wird auch viel Praktisches verhandelt: die Zubereitung von Waldpilzen, die Hausschlachtung und das Zerlegen einer Sau, die Zubereitung von Blutwurst aus dem frisch aufgefangenen warmen Blut, allerlei Innereienrezepte, Saisonsalate mit dem, was der wohlbestellte Garten hergibt, Hauszubereitungen von Milchprodukten u.v.a.m. Von dem Brauch des Jägers ist die Rede, die frische Leber eines erlegten Wildes „à la Praša" zu dünsten - die Rezensentin fragt sich, ob in Südkärnten der in Nordkärnten noch heute geübte Brauch unbekannt war, dass der erfolgreiche Waidmann die Leber roh verzehrt?
Den besonderen Reiz macht aus, dass die Biographie des Autors historisch und gesellschaftlich an unwiederbringlichen Schnittstellen angesiedelt ist: Einerseits, historisch, erlebte er als Kind in Unterkärnten noch die Bescheidenheit und die Pracht einer Küche, die von Sparsamkeit, bauernnaher Subsistenzwirtschaft, aber auch regionalen Traditionen und dem mütterlichen, großmütterlichen kulinarischen Ehrgeiz und Verstand geprägt war. Andererseits, gesellschaftlich, wuchs der kleine Lojze als Mitglied der an den Rand gedrängten slowenischen Volksgruppe in Kärnten auf.
Die Empfehlung der Rezensentin: Dieses schlichte, schöne Buch von Lojze Wieser kaufen, lesen, und ergänzend dazu das Buch der Bachmann-Preisträgerin 2011, Maja Haderlap: Engel des Vergessens. Diese kombinierte Lektüre ist horizonterweiternd für alle, die sich für die Kulturgeschichte des Essens, (Nach-)Kriegskärnten und anspruchsvoll erzähltes Biographisches interessieren. Und Modethema ist´s ja auch, seit Peter Handke seinen Text „Immer noch Sturm" bei den Salzburger Festspielen 2011 zur Uraufführung brachte.