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EHRENBERG Alain: Das Unbehagen in der Gesellschaft. Suhrkamp Verlag, Berlin 2011

Bernhard HUBER.   

Mit vorliegendem Buch setzt Alain Ehrenberg, Autor von „Das erschöpfte Selbst" (orig. frz. La Fatigue), sein Studienthema über die Zusammenhänge moderner Individualitätskonzeptionen und psychotischer Persönlichkeitsstörungen in den westlichen Gesellschaften fort. Seine Grundthese korreliert das große Freiheitsdispositiv mit den depressiven Störungserscheinungen der „Generation Maybe", wie es einmal Oliver Jeges in der Welt beschrieb. Ehrenberg zeichnet dabei die Entwicklungen und Debatten der individualistischen Haltungen in den Vereinigten Staaten und Frankreich seit dem Ende des 18. Jahrhunderts nach und vergleicht diese schlussendlich. Grundlegend wird dabei der sich unterschiedlich entwickelnde Verhandlungsdiskurs von Autonomie zum höchsten Wert deutlich.

 

Die ausufernden Wahlmöglichkeiten des heutigen Menschen, welche durch die sozioökonomischen Entwicklungen von Liberalisierung und Privatisierung dem Einzelnen offen stehen, gelingt es aber letztlich nicht, diesen Autonomismus als höchsten positiven Wert weiter zu tradieren. Anhand von dessen Scheitern arbeitet Ehrenberg eine Pathologie des Ideals und eine Sprache des Leidens heraus, welche die heutige Relation von Individuum zu Gesellschaft als krankmachend umschreiben möchte.

 

Denn gerade die gesellschaftlichen Erwartungen und Erfordernisse an die einzelne Person, das Leben nun mündig und eigenbestimmt zu gestalten, sieht Ehrenberg als Grund heutiger depressiver bzw. narzisstischer Persönlichkeitsstörungen. Eine Kultur der Autonomie, welche das Individuum vom Objekt zum Subjekt, vom Sachwalter zum alleinigen Eigentümer seines Lebens gemacht habe, führe regressiv allerdings zur Potenzierung der Unmöglichkeits- und Ungenügsamkeitserfahrungen des Ichs in Bezug auf das ihn umgebende gesellschaftliche Forderungsprofil. Für Ehrenberg bildet gerade dies das Paradox der Moderne, wonach jene Autonomie eine Kultur der Verantwortlichkeit beabsichtigte, eine Pathologie des unbestimmt Relationalen aber erreichte.

 

Ehrenbergs Studie vereint sozialpsychologische, medizinische und politische Aspekte eines Wandlungsphänomens, welches sich zwischen dem Einzelnen und der Gesellschaft als Ganzes abspielt. Hatte das Fordern nach Autonomie und Selbstbestimmung die Delegierung von Verantwortlichkeit die Gestaltungsmöglichkeiten von Freiheitsräumen zur Folge, sieht Ehrenberg aber im Gegenzug einen konstruktiven Umgang des Individuums mit den gesellschaftlichen, aus den neu eröffneten Handlungs- und Wahldispositiven resultierenden Ansprüchen nicht gegeben.

RezUnbehagen (96k)

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EHRENBERG Alain: Das Unbehagen in der Gesellschaft. Suhrkamp Verlag, Berlin 2011