„Butter bei die Fische geben" bedeutet so viel wie „zur Sache kommen" und steht somit für das Direkte und erfrischend Derbe, das den Charme des norddeutschen Dialekts ausmacht. „Butter bei die Fische" ist also ein passender Titel für einen Band, in dem Hamburger Köche ihre Restaurants und Rezepte vorstellen. Denn bei aller Verfeinerung der Küche gehört Bodenhaftung und Regionalität zum Selbstbild aller Beteiligten. Der mittlerweile nicht mehr ganz taufrische Band ist das zweite Buchprojekt, das auf Kochshows im Kulturzentrum Kampnagel zurückgeht, wo etablierte und aufstrebende Köche aus der Hamburger Szene ihre Gerichte vor Publikum zubereitet haben.
In vierzehn Kapiteln werden ganz unterschiedliche Restaurants und ihre Betreiber und Köche vorgestellt. Die Spannweite reicht vom Restaurant im edlen Hotel Atlantic über die Szenerestaurants im Schanzenviertel bis zur bodenständigen Oberhafen-Kantine: Dieses windschiefe, von den Gezeiten gebeutelte Gebäude hat eine Küche im Keller, die im Falle einer Sturmwarnung komplett ausgebaut werden kann. Interessant ist die Beschreibung der jeweiligen Konzepte sowie der Werdegänge der Köche. Man erfährt, welche Umwege die „Koch-Künstler" manchmal gehen müssen, bis sie ihre Ideen in einem eigenen Betrieb umsetzen können. Die Texte des Autorenteams sind positiv voreingenommen, ohne aber in Werbetexte abzudriften. Eine eigenständige Rolle bei der Lektüre spielen die einfühlsamen Photographien von Ute Schnuckmann. Sie verbindet Inszenierungen des Interieurs mit lebendigen Impressionen des gefüllten Gastraumes und Momentaufnahmen aus der Küche. Hinzu kommt dezente Food-Photographie, die das lokale Ambiente noch erkennen lässt.
Worin besteht die Hamburger Küche? Die Herausgeber betonen eher die Vielfalt der Ansätze, die sich zwischen französischer Küche und dem Aufgreifen von hanseatischen Traditionen bewegen. Dass Experimente hier kein Selbstzweck sind, sondern sich in ein Gesamtkonzept einpassen, wird man nach der Lektüre der Rezepte bestätigen können. Jedes Restaurant stellt nämlich im Buch ein viergängiges Menü vor, dem die Somelière Ina Finn eine Weinempfehlung zur Seite stellt. Fisch und Meeresfrüchte spielen in den verschiedenen Gängen erwartungsgemäß eine wichtige Rolle, sei es als Hauptgang, sei es als Räucherfisch oder in der Suppe.
Wer wird diese Menüs zuhause nachkochen? Die Rezepte stellen relativ hohe Anforderungen an den Amateur: Er muss eine komplette Küchenausstattung (Fleischwolf etc.) und ein großes handwerkliches Geschick vorweisen, einen Sinn für komplexe Abläufe entwickeln, die sich zum Teil über mehrere Tage erstrecken, teilweise exotische Zutaten einkaufen. Ob das alle Leser tun werden? Wahrscheinlich gehört dieser Band eher in den Bereich des „stellvertretenden Erlebens" wie Kochshows, TV-Kochduelle, Promi-Dinner u.Ä.: Wenn wir sehen (oder hier: lesen), wie andere für uns kochen, genießen wir dieses Event und werden nicht zum Nachkochen motiviert.
Vielleicht wäre es auch gar nicht im Sinne des Erfinders, die Menüs zuhause zu kochen. Der Band portraitiert kreative Köpfe, die besondere Orte schaffen, wo sie jeden Tag aufs Neue hochwertige Gerichte kreieren. Und so macht die Lektüre eigentlich Lust, diese Orte einmal aufzusuchen, am besten alle. Ein empfehlenswertes Buch nicht nur für Hamburger, sondern auch für Hamburg-Besucher.