Das „bayrische Kochbuch" von Reinhard Michl umfasst 158 Seiten, fällt durch eine schöne und individuelle Gestaltung in Texten und Bildern auf und ist auch ein handlich und robust gemachtes Buch in einem küchentauglich glatten, die Seiten überragenden Softcover. Es wird durch die Speisenarten gegliedert, deren Rezepte vorkommen: Suppen, Vorspeisen und Beilagen, Fisch, Fleisch und Süßes. Dazwischen eingestreut sind fünf Geschichten, unter anderem ein Gastbeitrag des prominenten bayrischen Kabarettisten Gerhard Polt zum Thema „Gemütlichkeit", und zahlreiche vom Autor - der auch ein preisgekrönter Illustrator ist - stammende Zeichnungen. In dieser Zusatzausstattung liegt der Charme des Buches. Zu Beginn erfahren die Leser/-innen, was Reinhard Michl motivierte, das Buch zu schreiben: Es ist die lebhafte Erinnerung an die Küche seiner Kindheit, seine Mutter und die beiden Großmütter, die Düfte, den Erfindungsreichtum in Zeiten des Mangels, auch die Erfahrung von Küchenraum als Kreativraum. In dieser Hinsicht erinnert Michls Buch an das eines anderen Mannes, der den kulinarisch-agrarischen Erinnerungsschatz seiner Jugendzeit in einem Büchlein verewigte, Lojze Wiesers „Kochen unter anderen Sternen" (EPIKUR-Rezension hier).
Die Rezepte sind in ihrer überwiegenden Mehrheit „bayrische" Rezepte - ihre allfällige Migrationsgeschichte liegt also schon im Dunkel der Historie. Aus österreichischer Perspektive sind manche Ausdrücke neu, beispielsweise „Wammerl" für Bauchspeck, „Bauchstechala" für Schupfnudel oder „Wamsler" für Sparherd. Auch die Durchdringung bayrischer Redeweise mit norddeutscher Sprache ist an Kleinigkeiten festzumachen, etwa „Schweinegulasch" (S. 101) vs. bayrisch-österreichisch „Schweinsbraten" (S. 115). Ein Vorzug der Rezeptauswahl: Die Rezepte wirken eindeutig praktisch bewährt, und sie passen in der schlichten und verständlichen Darstellung gut zur „Männerküche" des Hobbykochs Michl; er ist Mitglied in einer ambitionierten Herrenrunde, die seit vielen Jahren gemeinsam kocht und Neues probiert. Man kann sich lebhaft das Augenzwinkern vorstellen, das dort Michls animierendes Bild eines Frauenaktes, der sich in die sinnlichen Kurven zweier wohlgefüllter Weißbiergläser schmiegt, ausgelöst haben mag (Bild S. 49).
Michl schildert in einer der Geschichten, wie er sich früh ein Wissen über Fische aneignete, als er sich als Bub am damaligen Donaufischermarkt herumtrieb. Umso kurioser mutet an, was in den Rezepten S. 82 und 84 zum Fischeinkauf geraten wird: „Die Forellen entschuppen ... und ausnehmen ..." Da sind wohl Forellen gemeint, die es nur am 1. April oder in den Raunächten geben mag, Forellen mit Schuppen!
Das Buch macht Menschen Freude, die gerne gut und eher unkompliziert und eher bodenständig kochen, und die entweder einen eigenen Bezug zur bayrischen Lebensart und Kochkultur haben oder aber Neuankömmlinge sind, die das Buch auch gleich als liebenswürdige ethnologische Quelle lesen können.