„Sprache ist Malerei für das Ohr." (Joseph Joubert) - dieses Zitat steht am Beginn des Buches Brot im Klartext. Es wurde in Zusammenarbeit von den Autorinnen Eva Derndorfer, Angela Mörixbauer und Sonja Reiselhuber-Schmölzer mit der Bundesinnung der Lebensmittelgewerbe und des Bundesverbandes der Bäcker herausgebracht. Eine eigene (österreichische) Sprache, eine neue Sprache für den Bereich des Brotes zu entwickeln ist das Ziel, ähnlich wie die Fachsprache bei Wein, Kaffee oder Schokolade. Das Grundnahrungsmittel Brot soll eine gesteigerte Wertschätzung erfahren, die nicht nur in der Fachwelt, sondern gerade unter den Kunden verbreitet werden soll. Mit diesem Buch soll wieder mehr Lust auf Brot geweckt werden! Interessant ist die Herangehensweise: Lust auf Brot wird über das Fachpersonal vermittelt, welches sich mithilfe dieses Buches schulen kann. Jawohl, "schulen", denn Brot im Klartext scheint ein Lehrbuch zu sein. Oder? Die genaue Definition um welche Gattung es sich hierbei handelt, muss vorerst offen bleiben, denn auch ein Blick ins Inhaltsverzeichnis bietet so schnell keine klare Auskunft.
Die Brotansprache soll dazu beitragen, die Kundenerwartungen besser zu erfüllen und bei der Brotauswahl den Kunden besser zu unterstützen, das Verkaufsgespräch aufzuwerten, etc.
Das Buch stellt in verschiedenen Kapiteln seine Intention dar, welche ebenfalls in weitere Unterkapitel unterteilt werden. Als einleitendes Kapitel beginnt Am Anfang war das Wort. Sprachlos den Leser einen Einblick in das Thema des Buches zu bieten. Direkt am Anfang wird deutlich: die Autoren und ihr Team wollen eine neue, eigene Sprache speziell für das Lebensmittel Brot erfinden. Im nächsten Kapitel wird der wissenschaftliche Hintergrund, besonders der Aspekt der Sensorik, näher beleuchtet. Die Beschreibung von Brot und seinen Eigenschaften, auch im internationalen Vergleich, bekommen dabei einen Schwerpunkt. Im darauffolgenden Kapitel werden die Grundlagen der Kommunikation dem Leser näher gebracht, das heißt konkret wie welche Zielgruppen im Verkauf angesprochen, wie Texte für Werbezwecke oder Information erstellt werden können um besonders gut den Verbraucher zu locken und wie Bilder und Medien für diese eingesetzt werden können. Als abschließendes Kapitel leitet Von der Theorie in die Praxis hinüber zu ganz praktischen Anleitungen wie der Leser die Brotansprache in seinem Betrieb den Mitarbeitern nähern bringen kann. Den Abschluss bilden Statements von Bäckern aus ganz Österreich, Lebensmittelrechtliche Vorschriften ("kurzer Abstecher in den Paragraphendschungel"), eine Attributliste mit Definitionen und Referenzmaterialien, ein Beispiel einer möglichen Presseaussendung, internationale Studien in Kurzform gezeigt und, und, und... Zu guter Letzt werden die Autorinnen und ihre Lebensläufe vorgestellt und ihre Errungenschaften im Bereich der Ernährungswissenschaften, Gesundheitsmanagement, Lehrtätigkeiten und bereits erschienen (Fach-)Bücher ausführlich dargelegt.
Klar ist nach kurzem Einlesen eines: hier wird das Rad neu erfunden, eine Sprache künstlich erzeugt, obwohl es ähnliche Vorläufer bereits international gibt. Das Schweizer Brotaromarad von 2008 ist laut Buch zu umfangreich für die Praxis und enthält (für die objektive Bewertung ebenso wichtige) Beschreibungen, die durchaus auch negativ verstanden werden können. Dies wird im Buch ganz bewusst nicht gewünscht. Fragwürdig, denn wenn das Werk in erster Linie für Fachleute und deren Schulung geschrieben wurde, gehört dann nicht auch eine kritische, objektive Beurteilung des Produktes mit dazu und keine Schönmalerei? Die Absicht über die Sprache dem Brot eine höhere Wertigkeit zu verleihen ist durchaus ein passender, wie positiver Gedanke, nur hackt dabei der Grundgedanke. Eine Sprache künstlich neu zu erfinden mag Geschmacksache sein, nur sind die verwendeten Attribute auch nicht neu (mehlig, Röstaroma, nussig, saftig, etc.). Was allerdings der Begriff „al dente" bei dem Thema Brot zu suchen hat... Nun ja. Die Wertigkeit des Grundnahrungsmittels Brot nur über die Sprache zu definieren erscheint am Thema vorbei, denn das Übel liegt woanders begraben. Die Produkte, die heutzutage in den Bäckereien verkauft werden haben nur noch schwerlich etwas mit wahrer Bäckerei zu tun (Ausnahmen bestätigen die Regel). Inhaltslose Teighüllen wandern über die Verkaufstische und suggerieren den unbedarften Käufern gesunden Genuss. Allein der Preis der Waren und der Irrglaube, bis zum Ladenschluss noch gute Ware erhalten zu müssen, toppen diese Absurdität. Wahre Qualität gibt es nicht für einen kleinen Preis, nicht in Massen und kann es erst recht nicht bis abends um 19 Uhr geben. Denn was diese Berufsparte, die Autorinnen und leider auch die Kunden vergessen haben: Backen ist echtes Handwerk, ist Kunst, ist sinnlicher Genuss, sowohl bei der Herstellung, als auch beim Essen der Backwaren. Ein Grundnahrungsmittel, eines der ältesten, dem kaum einer wirklichen Wert mehr beimisst; ebenso nur noch Konsumgut ist wie der Rest in unserer oberflächlichen Konsumgesellschaft. Und genau das wird in diesem Buch vermittelt. Verkaufsware. Nicht mehr.