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HOROWITZ Angelika u. HOROWITZ Michael: Tischgespräche. Über Essen, Trinken und die anderen schönen Dinge des Lebens. Amalthea, Wien 2011

Lukas MAYRHOFER.   

Immer mehr scheint die essende Gesellschaft in zwei Gruppen auseinanderzudriften: in die eine, die das gemeinsam zelebrierte Mahl schätzt und damit einhergehend auch eine dementsprechende Kommunikation bei Tisch pflegt, und die andere, die mangels Zeit und fehlender Esskultur dieses gemeinschaftsstiftende und strukturgebende Element des Zusammenlebens zusehends in Vergessenheit geraten lässt.            
Genau dieser „aussterbende Art, Zeit miteinander zu verbringen" widmet sich das Buch von Angelika und Michael Horowitz. In Form eines bunten Sammelsuriums von Interviews mit bekannten Größen der österreichischen Kunst- und Kulturszene gelingt es den Autoren, Gesprächs- und Tischkultur unter einen Hut zu bringen.

Insgesamt zwanzig Mal setzen sich diese (oder nur eine/r davon) in ein Lokal, das ihr prominentes Gegenüber bewusst gewählt hat. Das Traditionsgasthaus, das Stammbeisl oder das Lieblingscafé bilden so den Rahmen, in dem über Gewesenes, Aktuelles und Zukünftiges gesprochen und scheinbar nebenbei gegessen und getrunken wird. Die Auswahl der Gesprächspartner scheint hier vor allem im persönlichen Bekanntenkreis stattgefunden zu haben, denn in der Mehrzahl der Interviews duzt das Autorenteam. Das fast durchgängig vertrauliche Du nimmt den Leser mit auf eine kurzweilige Reise, die ihm Einblick in Erinnerungen, unbekannte Lebensabschnitte und die ganz privaten Ess- und Kochgewohnheiten der Prominenten gewähren. So gesteht beispielsweise Christiane Hörbiger ihr Faible für Dickmanns zum Kaffee in Drehpausen, sowohl Klaus Maria Brandauer als auch Willi Resetarits outen sich als Fans der Wiener Rindfleischküche und der Theaterdirektor Michael Schottenberg zeigt als Vegetarier seine Affinität zum Geruch einer Burenwurst in Würstlstandnähe.

Lässt man beim Lesen den rein gastrosophischen Blick walten, springen einige Gespräche besonders ins Auge: Der Kabarettist und Schauspieler Alfred Dorfer erweist sich als reflektierter Esser, dem das Unverfälschte einer Gasthausküche lieber ist als überkandidelte Kreationen auf Haubenlokaltellern und der von sich selbst bewusst-bescheiden als Nicht-Feinschmecker spricht. Essen sei eine derart individuelle Sache, dass die kritische Beurteilung eines Gourmettesters niemals allgemeingültiges Urteil sein könne. In eine ähnliche Kerbe schlägt der vielseitige Künstler Michael Heltau, für den das Einfachste das Schwierigste darstellt, da es leichter überprüfbar sei. Spaghetti aglio e olio oder nur zwei Eier im Glas „sind wie das hohe C in der Musik".      
Ein Meister, in dessen Kunst Gastrosophie eine große Rolle spielt, ist Daniel Spoerri. Im Kremser Gasthaus Jell - nicht weit von seinem jetzigen Arbeitsplatz und Wohnsitz Hadersdorf - spricht der metteur en scène, wie er sich selbst nennt, ohne große Allüren über seinen Werdegang, in dem Genuss nicht immer selbstverständlich war. Das Genießen scheint sich mehr hinter den klösterlichen Mauern abzuspielen. Der Bogen des Sich-Zeit-Nehmens beim Essen schließt sich im Gespräch mit dem Probst des Klosters Herzogenburg, Maximilian Fürnsinn. Er erzählt locker und unprätentiös, wie sich das Kloster als Ort jahrhundertealter Tradition die festgesetzten Essenszeiten bewahrt. Hier wird noch das kulinarische Amt eines praefectus culinae ausgeübt, Weinanbau betrieben und schlichtweg Wert auf gutes Essen gelegt.

Die Hälfte der Interviewten sind jedoch Granden der österreichischen Theaterszene. Insofern gleitet der Inhalt leider oft zu sehr ins künstlerische Fach ab, bleibt teilweise anekdotenhaft an der Oberfläche und vernachlässigt genau jene Punkte, die der Buchtitel vorrangig verspricht: Essen und Trinken. Das Bühnengeschehen bzw. die eigene Schauspielkarriere nehmen in einigen Fällen so viel Raum ein, dass für kulinarische Reflexionen wenig übrig bleibt und die Lenkung des Gesprächs auf kulinarische Gepflogenheiten teilweise etwas bemüht wirkt.

Trotzdem spricht die Lektüre all dieser Gespräche die Sinne an, so dass den Leser das eine oder andere Mal die Lust überkommt, dritter Gast am Tisch zu sein und mitzuhören, mitzuschauen und vor allem mitzuessen. Somit sei jedem, der dieses Buch zur Hand nimmt, angeraten, es ähnlich wie bei einer Speisekarte zu tun: gustieren, sich ein individuelles Gesprächsmenü zusammenstellen, portionsweise lesen und - genießen.

Rez_Tischgespraeche (34k)

Link zum Verlag

HOROWITZ Angelika u. Michael: Tischgespräche. Über Essen, Trinken und die anderen schönen Dinge des Lebens. Amalthea, Wien 2011