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MUTSCHELKNAUS Katja: Kaffeeklatsch – Die Stunde der Frauen. Elisabeth Sandmann Verlag, München 2. Auflage 2008

ENZINGER Katharina.   

Kaffeeklatsch besticht auf den ersten Blick durch seine - in positivem Sinne - auffallende und äußerst ansprechende Gestaltung. Der Schutzeinband ist in Flieder gehalten, zeigt schwebende Gugelhupfe und ein kokettes Bild zweier vergnügter junger Frauen aus den 1950ern bei einer offenkundig amüsanten Unterhaltung im Kaffeehaus. Das Innere des Bandes ist kunterbunt, abwechslungsreich, nostalgisch-altmodisch und von einer fühlbar positiven Atmosphäre belebt.

Zahlreiche Abbildungen ergänzen die entsprechenden Textstellen oder sorgen schlicht für Abwechslung und humorvolle Ergänzungen. Abgebildet sind Gemälde, Zeichnungen, Kupferstiche und Radierungen zum Thema aus unterschiedlichen Epochen, erklärt durch präzise Angaben, Fotografien aus dem 20. Jahrhundert, Darstellungen von Utensilien, Grafiken, Zierborten, stilisierte Törtchen, Karikaturen und noch so einiges mehr.

Ergänzt wird der eigentliche Fließtext in Kaffeeklatsch durch illustrative, treffend-pointierte und vornehmlich unterhaltsame Ausschnitte aus Autobiographien, Ratgebern, Tischzuchten, Hausfrauenanleitungen, Kochbüchern und Literatur von Schriftstellern wie Heinrich Heine oder Wilhelm Busch, die grafisch hervorgehoben sind. Pro Doppelseite finden sich ungefähr zwei bis drei bildliche Darstellungen und des Öfteren auch ein Zitat. Dadurch wird der Fließtext in kleine Häppchen aufgeteilt und wirkt so weniger überwältigend; zu viel Text pro Seite wird so vermieden. Darüber hinaus wirkt das Schriftbild grundsätzlich angenehm und ist gut lesbar.

Nun aber zum eigentlichen Inhalt des Buches: Mutschelknaus behandelt den Kaffeeklatsch „als Kaleidoskop seiner Zeit" und stellt dieses von der Wissenschaft so lange vernachlässigte Ritual in einen gesellschaftlich-politischen Kontext. So klammert die Autorin weder die scheinbar trockene Geschichte der industriellen Herstellung von Rübenzucker, die Entdeckungen und die Kolonialisierung als Schlüssel zu Kaffee, Kakao und Tee, die weibliche Emanzipation oder Essen als Mittel der sozialen Distinktion aus ihrer Abhandlung aus. Ebenso wird den sich wandelnden Einrichtungen, Wohngegebenheiten, ökonomischen Voraussetzungen und sozio-ökonomischen Unterschieden, Moden, Fertigprodukten, der Berufstätigkeit von Frauen, Notrezepten in Mangelzeiten sowie dem Mythos von Kaffee als geheimnisvollem und sündhaftem Rauschmittel Beachtung geschenkt. Dadurch gelingt es Mutschelknaus, aus ihrem Buch mehr zu machen als ein sentimentales Schwelgen in den guten alten Zeiten, eine seichte Beschreibung von Oberflächlichkeiten - was man vor der Lektüre zugegebenermaßen von Kaffeeklatsch erwartet.

Die Autorin wählt nach eigenen Angaben eine journalistische Herangehensweise an ihr Thema - man könnte sie bei praktischer Betrachtung auch als populärwissenschaftlich bezeichnen. Sie will „sich vom Bild entfernen, die Farbtupfer zu einem Gemälde verschmelzen lassen und schildern, was sie sieht". Dies tut sie in einem nachvollziehbaren, kurzatmigen, eleganten und spritzigen Stil, der den Leser von Seite zu Seite trägt. Hier sind vor allem die geschickt eingesetzten und oftmals originellen Adjektive zu bemerken, die ein Wesentliches zum Lesevergnügen beitragen.

Der wissenschaftliche Wert der Publikation ist wahrscheinlich zu vernachlässigen, einen Neuigkeitswert besitzt Mutschelknaus‘ Kaffeeklatsch mit Sicherheit nicht. Wirft man einen Blick auf die Bibliographie, verstärkt sich dieser ernüchternde Eindruck; sie reicht über gerade einmal etwas mehr als eine großzügig ausgenützte Seite.
Dennoch, der bezaubernde Band bietet sich geradezu als angenehmer Zeitvertreib mit nur ja nicht zu vernachlässigendem Informationsgehalt im Kaffeehaus oder einem Wohnzimmer an; idealerweise vor oder nach einem Kaffeekränzchen. Zu guter Letzt ist Kaffeeklatsch ein unheimlich schönes Buch, das Schmuckstück eines jeden Salontischchens und in jedem Fall ein charmanter Seelentröster.

 

Link zum Verlag:

MUTSCHELKNAUS Katja: Kaffeeklatsch – Die Stunde der Frauen. Elisabeth Sandmann Verlag, München 2. Auflage 2008