„Hast du genug Eier??" - Diese Frage stellt das Kochbuch dem Leser gleich zu Beginn. Die Abbildung von tierischen Hoden und Penis bietet einen wenig geschmackvollen Auftakt. Genug Mumm sollte man als angehender junger Wilder allemal mitbringen, denn einmal DER junge Wilde zu sein bzw. zu werden ist der großer Traum vieler ambitionierter Nachwuchsköche. Ruhm und Ehre sind dem Sieger sicher sowie enorme mediale Aufmerksamkeit. Gunst, die jeder, der in der harten, oft unbarmherzigen Haubengastronomie groß rauskommen will, so dringend braucht, wie das (Herd-)Feuer seinen Brennstoff.
„Junge Wilde", einer der spektakulärsten Kochwettbewerbe Europas, veranstaltet vom Gastronomiemagazin Rolling Pin. Jährlich melden sich rund 2.000 Bewerber, um ihr Können zu zeigen. Daraus gehen drei Finalisten hervor, von denen schließlich im Rahmen der „Gastro Premium Night" einer zum neuen „Jungen Wilden" gekürt wird. 2014 geht der Wettbewerb in die zehnte Auflage. Zu diesem runden Jubiläum wurde nun das „Junge Wilde - ein ungewöhnliches Kochbuch" von Rolling Pin herausgegeben.
Dass dieses Event von wirtschaftlichen Gastronomiegrößen wie Wiberg, Isi, Lohberger, Zieher, Nespresso, Basic Textur u.v.a. getragen wird, zeigt auch, dass die Wirtschaft auch die Gastronomiesprösslinge gerne fördert. Produkte dieser Unternehmen sind Hauptbestandteile des Warenkorbs, aus dem die Kandidaten ihre Menüs kreieren. Dies spiegelt sich auch im Kochbuch wieder, Produktplatzierungen dieser Unternehmen sind omnipräsent. Neben Public Relations bietet das Buch auch genügend Platz für Selbstdarstellung und -inszenierung ehemaliger „Junger Wilder" und anderen deutschen Starköchen, welche die Jury stellen. Darunter Stefan Marquard, Patron und "Vater" der Kochsprösslinge, seinerzeit der erste Sieger des Events. Sowie Frank Öhler, der den Award sogar mit dem Grammy Award oder Oskar für Köche gleichsetzt. Mit von der Partie sind auch Juan Amador, TV-Koch Ralf Zacherl, Thomas M. Walkensteiner, Tom Rossner, Marco D´Andrea (Junger Wilder 2012), Marvin Böhm (Junger Wilder 2013) u.v.a.
So findet man auf 224 Seiten viel Werbung, Selbstbeweihräucherung und Hochlob auf die im Werk präsentierten Köche und ihre Menüs, jedoch gerade mal 42 Rezepte. Diese haben es aber in sich. 14 deutsche Starköche präsentieren je ein ausgefeiltes Drei-Gänge-Menü der Sonderklasse. Jedem Maestro ist ein Kapitel gewidmet, in dem kurz umrissen sein Werdegang, einige private Details und sein Menü präsentiert werden. Es sind außergewöhnliche, teilweise sehr spezielle Kreationen, beeindruckend in Szene gesetzt. Die Haubengastronomie betreffend ist jedoch wenig Neues, Innovatives zu finden. Erwähnenswert sind die Facts & Basics Infos über verschiedene, teilweise recht exotische Tierarten und die Verwendung ihrer Fleischteile.
Die Rezepte sind übersichtlich gestaltet, jede Komponente wird sowohl in einer Zutatenliste als auch in der Zubereitung separat angeführt. Eine Erklärung fürs Anrichten und weiter dafür nötige Ingredienzen sind jeweils am Ende angeführt. Die Zubereitungsweisen sind auch für Hobbyköche mit etwas Know-how leicht nachvollziehbar. Die aufwendige, der Haute Cuisine angepasste Anrichteweise ist zwar schwierig nachzustellen, jedoch kann man viele wertvolle Ideen und Anregungen aus den stilvoll gestalteten Gerichten ziehen. Nicht alle Ingredienzen sind im „normalen" Einzelhandel erhältlich, ein Besuch beim Fischhändler oder Asialaden des Vertrauens sollte aber Erfolg bringend sein. Abgerundet wird das Buch mit vielen amüsanten Schnappschüssen, welche während der vergangenen Jahre bei den Awards und Fotoshootings für das Buch entstanden sind.
Der Anmerkung „Lesen auf eigene Gefahr! Die folgenden Seiten können dein Leben verändern" ist nur bedingt zuzustimmen. Zwar erfährt man viel über den Award, liest einige spannende Biographien und Lebensgeschichten, wird über Produktneuheiten informiert und bekommt zum Drüberstreuen einige schöne Gerichte präsentiert, aber inwieweit dadurch tatsächlich Lebensveränderungen eintreten, bleibt dem Leser überlassen.