Mäßigkeit scheint nicht zu Martin Ho´s besten Tugenden zu gehören. So prangt unter dem Titel „Shooting Star aus Vietnam" auf einer der ersten Seiten seines eben neu erschienen Kochbuchs „Von einem, der auszog, die Gastronomie zu verändern". „Einfach nur ein Kochbuch auf den Markt zu bringen wäre zu einfach gewesen." Große Worte eines 28-Jährigen. Ganz unrecht hat er damit aber nicht, bereits mit 18 Jahren eröffnete er sein erstes Restaurant „Dots experimental sushi" in Wien und mischt seither die österreichische Kochszene kräftig auf. Zwei Dependancen, weiters zwei Kunstgalerien und eine eigene Produktlinie sollten bis heute folgen. Sein 206 Seiten starkes, im Brandstätter Verlag erschienenes Erstlingswerk ist eine Hommage an Marin Ho´s große Leidenschaften: Kunst und Kochen. Um das Werk auch optisch perfekt in Szene zu setzen, wurde der prominente, international engagierte Foodfotograf Thomas Schauer mit ins Boot geholt.
Dass Ho den modernen Künsten sehr zugetan ist, erkennt man nicht nur an der geschmackvollen Einrichtung seiner Restaurants, sondern auch am äußerst individuellen Erscheinungsbild des Kochbuchs. Die Buchdeckel aus Pappe sind mehrere Millimeter stark, dafür wurde auf einen Buchrücken verzichtet. Neben den äußerst gelungenen, künstlerischen Foodfotos findet man eine Vielzahl stilvoller Fotografien, entstanden in Martin Ho´s Restaurants und Kunstgalerien. Umrahmt werden die Rezepte mit Zitaten und Anekdoten von Freunden und Stammgästen der Dots-Gruppe. Darunter einige bekannte Gesichter, beispielsweise Winzer Vincent Bründlmayer oder Kabarettist Christoph Fälbl, auch bekannt als Obersthofmeister Seyffenstein: „Wenn ich essen gehe dann am liebesten (sic!) zu Freunden. Martin ist zum Glück einer davon."
Ho selbst bezeichnet seinen Kochstil als „avantgardistisch und kreativ". Happy Valentine, Sunday Hangover oder The Great Gatsby sind von Ho´s Originalität gekennzeichnete Kapitelbezeichnungen.
Die Rezepte sind sehr anschaulich und übersichtlich gestaltet, so dass sie von ambitionierten Hobbyköchen leicht nachzukochen sind. Jede Komponente ist mit Zutaten und Zubereitung separat angeführt. Die künstlerischen Finessen zeigen sich im Detail, so sind beispielsweise die Mengenangaben und Zutaten in unterschiedlichen Schriftarten gehalten, beinahe alle im Kochbuch vorkommenden O´s farblich hervorgehoben.
Jedes Kapitel wird mit einem „Getränkespecial" eröffnet, das erste mit Aperol-Bier. Die Zutaten: Aperol und Bier, ok. Diese Auswahl ist etwas minimalistisch geraten, denn auch die Meisten der anderen präsentierten Drinks dürften dem bewanderten Cocktailliebhaber bereits bekannt sein. Auf der nächsten Seite findet der erwartungsvolle Leser einen einfachen Wagyu-Burger, allerdings werden alle Zutaten selbst hergestellt und mariniert, einige Seiten später einen recht simplen Avocadosalat und überraschenderweise auch Cakepops...
Wenn man allerdings geduldig etwas weiterblättert stößt man auf einige sehr kreativ umgesetzte und außergewöhnliche Rezepte mit asiatischem respektive vietnamesischem Touch, wie vietnamesische Zitronensuppe und Saigon Kimchi Salat. Ebenso kreativ, wie einfach nachzurollen sind die Sushi Rezepte. So bietet Ho seinen Gästen in den Restaurants wie seinen ambitionierten Lesern im Kochbuch beispielsweise rosarotes Hello Kitty Sushi, Marzipan-Maki mit Himbeersauce, Cheese Steak Roll oder Pink Lady Sushi. Klassisch europäische bzw. österreichische Gerichte und Zutaten werden gekonnt mit einem Hauch Asiens präsentiert wie Rote-Rüben-Tagliatelle mit gegrilltem Thunfisch, Seesaibling Tepanyaki, oder das klassische Wienerschnitzel mit vietnamesischem Krautsalat. Ein Highlight der originellen Metamorphose ist sicher die Dots Pizza mit einem „Teig" aus frittiertem Reis sowie verschiedenen Sorten Fischsashimi, Tomaten und Frischkäse als Belag.
Das Buch ist nicht einfach nur ein Kochbuch („denn das wäre zu einfach gewesen"), es ist ein äußerst kreativ gestaltetes, schrilles Artefakt, das kulinarische und ästhetische Sinne auf genußvolle Weise anspricht. Die Rezepte sind nicht nur einfach umzusetzen, sie kommen auch äußerst stylisch rüber, sodass man Lust bekommt sich gleich daran auszuprobieren. Selbst anspruchsvolle Gäste werden überrascht sein. Hier ist es durchaus möglich, dass ein Kunstliebhaber zum Koch und umgekehrt ein Koch zum Kunstliebhaber avanciert, wobei Kochen und gutes Essen ohnehin stets den Anspruch haben sollten, alle Sinne zu betören.