Nun, da die Sommertage vorbei und die Grillfeuer erloschen sind, ist es an der Zeit, sich Überlegungen zu machen für kommende Gartenfeste. Obiges Buch eignet sich als anregende Lektüre sehr gut dafür.
Das „Gartenfest" in seiner heute gewöhnlichen Form dürfte so allgemein bekannt wie stereotyp sein. Ein Grill wird angeworfen, der in letzter Zeit immer luxuriösere und ausladendere Formen annimmt; für dessen Benutzung es sogar eigene „Bibeln" gibt. Auf die Roste kommt das diverse Grillgut: oft aus dem Supermarkt, oft schon fertig mariniert. Von dort stammt gewöhnlich auch die gepfefferte Tomatensauce, gut geeignet, um bräunliches Fleisch zu besprenkeln. Männer dürfen als die großen Grillmeister ihre archaischen Triebe ausleben; von den Frauen stammen die angemachten Salate.
Alle stehen im Garten, um den Grill herum, jeder kennt alle, führt die Gespräche, die man beim letzten Gartenfest, in der letzten Woche, schon führte; atmet den Rauch des in die Glut tropfenden Fettes ein, hat bereits die erste - bis dritte - Flasche Bier in der Hand und wartet bis das Fleisch nach Ansicht der Experten verzehrfähig ist. Dann setzt man sich auf die Bierbänke an die Biertische und beginnt zu schmausen.
Das Grundmuster ist allenthalben zu beobachten. Im Supermarkt lässt sich bereits aus dem Inhalt des Warenkorbes recht genau erschließen, was geplant ist. Fleischstücke liegen neben Bratwürsten, dazu kommen Semmeln in einer größeren Menge und Ketchup-Flaschen. Fleisch bildet immer den zentralen Punkt; es strukturiert zugleich auch den Ablauf der Veranstaltung. Ankommen, Begrüßungsgetränk, Warten bis das Fleisch gar ist, gemeinsames Essen, Trinken; das war es; der Verlauf eines Sommerabends.
Auf der Basis lassen sich einige etwas aufwändigere Variationen gestalten. Gegrillt wird zudem Fisch und Gemüse, zum Bier kommt der Wein, die Saucen sind, auf der Basis eines fertigen Produktes, noch etwas verfeinert: die individuelle Note! Die Stereoanlage wummert den passenden Sound. Dazu der übliche Small talk. Der begleitet auch die Luxusversion eines Gartenfestes. Die Speisen kommen von einem Caterer, den Grill bedient ein Koch, der eine Vielzahl an Gerichten samt Beilagen auffährt. In einer Ecke des Gartens spielt eine Band. Es gibt dann noch Desserts, nach Einbruch der Nacht im Schein von Gartenfackeln.
Das gleiche Muster tritt auch bei kommerziell organisierten Gartenfesten auf, oder wenn etwa der Bürgermeister die Honoratioren und besonders wichtigen Leute in den Stadtpark einlädt. Der Unterschied liegt eigentlich nur darin, dass man sich beim gewerblichen Modell die Speisen und Getränke kaufen muss, während sie beim anderen gratis sind. Es sind jeweils Theken aufgebaut, an denen die gewünschten Speisen und Getränke zu holen sind. Es spielen eine oder mehrere Bands und dem Einbruch der Nacht steigt ein Feuerwerk auf.
Bei all diesen Festen reden nur die Leute miteinander, die sich ohnehin schon kennen. Sie bleiben untereinander, die Gruppen stehen beieinander, Außenkommunikation findet nicht statt; wird gewöhnlich als störend sogar abgeblockt.
Immer und überall das Gleiche; darüber stellt sich bald Langeweile ein. Man kennt alles, hat alles schon erlebt, es gibt nichts Neues; damit auch keine Attraktivität. Der Besucher beklagt sich darüber, dass alle so herumstehen, dass nichts passiert, dass alle nur passiv bleiben, Konsumorientiert unbeteiligt darauf warten, dass ihnen etwa vorgesetzt wird. Sie sind diese passive Haltung vom Fernsehen her gewohnt; man bekommt etwas geboten, und muss sich in keiner Weise anstrengen. Wer aber nur klagt - handelt auch nicht kommunikativ.
Wenn allerdings einmal Aktion und Mitmachen verlangt wird, ist nur ein kleiner Teil der Gäste dazu bereit.
Springt man 300 oder 400 Jahre zurück, wie es der Katalog über die Gartenfeste ermöglicht, liest man die Beiträge und reflektiert sie, erscheint bereits damals eine gewisse Stereotypie. Auch die damaligen Gartenfeste wiesen gewöhnlich einen standardisierten Ablauf auf: das Essen stand häufig im Mittelpunkt, Musik, Oper, Theater, Feuerwerke gehörten dazu; wie auch manche Klagen: immer die gleichen Standespersonen; es sei langweilig, weil immer das Übliche!
Der vorliegende Band macht den enormen Aufwand vergangener Zeiten sehr deutlich und durch die Bebilderung anschaulich. Das Dutzend Artikel im Einzelnen zu beschreiben, ist hier nicht möglich; nur den Gehalt einzelner Themenbereiche. Per definitionem braucht es für ein Gartenfest einen Garten als Rahmen und Spielort. Manche Anlagen waren darauf von vorneherein ausgerichtet, wie etwa der Rokokogarten von Veitshöchheim, der schon mit seinem Figurenprogramm die Festkultur des 18. Jahrhunderts spiegelt. Boskette und Pavillons boten Möglichkeiten, dort Speisen aufzufahren. Das Heckentheater, gerahmt von leider mittlerweile verlorenen Figuren, erweckte Erwartungen aufs Spiel. Der ansonsten noch vollkommen erhaltene Garten lädt zum Besuch ein. Der Artikel liefert die Hintergründe zum Skulpturen- und Figurenprogramm, eröffnet auf diese Weise ein tieferes Verständnis. Ein großartiger Rahmen, den sich ein Würzburger Bischof als Sommerresidenz schuf.
Ganz andere Dimensionen wies Versailles auf, wo bereits in den 1660er Jahren die kaum noch zu übertreffenden Prototypen geschaffen wurden. Ganz besonders raffiniert wirkt der Einfall, in eine der Alleen einfach einen riesigen Bühnen-Rahmen zu stellen und damit eine Art von überdimensioniertem Heckentheater zu installieren. Der Garten wird direkt zur Kulisse des Schauspiels. Da Ludwig XIV. selbst in seinen jüngeren Jahren begeistert und offensichtlich sehr gut Ballett tanzte, wurde diese Kunstform kultiviert; begleitet überhaupt von einem großen Musikprogramm. Dieses unterstützte auch die Feuerwerke, welche nicht nur aus Sicherheitsgründen, sondern vor allem der Optik wegen an den großen Wasserflächen aufstiegen. Auch die Wasserspiele trugen ihren Teil zur Unterhaltung bei. Wegen des enormen Wasserverbrauchs liefen sie nur zu besonderen Gelegenheiten und für bestimmte Zeiten.
Gerade aber in Frankreich wurden, Vorbild gebend, die führenden Künstler für Musik, die Architektur, die Theaterstücke, das Ballett, die bildliche Dokumentation zwecks Imagepflege einbezogen. Im Katalog ist dazu von tausenden an Hilfskräften: Gärtnern, Schneidern, Malern, Musiker, Köchen die Rede.
Kulissen wurden errichtet, wie temporäre Bauten; genutzt wurden zudem Orangerien einzelne Pavillons, im Hauptgebäude auch die Sala Terrena oder der Gartensaal, wie man es in Schönbrunn noch heute sehr gut sehen kann. Diese Säle, nach italienischen Mustern, wiesen selbst Elemente eines Gartens auf, durch Bemalung und Stuckatur. Zudem führten große Glastüren in den Garten hinaus. Das gab einen Vorgeschmack, zugleich konnte man sich bei heißem Wetter oder Regen dort aufhalten. Billiger, aber auch noch sehr teuer kamen entsprechend bemalte Tapeten, um sich einen Garten ins Haus zu holen. Diese Tapeten des 18. Jahrhunderts schlagen einen Bogen zurück zur Malerei der Römerzeit, die ganz analog wie in Pompei den Garten an die Hauswände projizierte.
Die vom Menschen kultivierte Natur sollte sich auch auf den Menschen auswirken. Das war ein antikes Projekt, das in der Aufklärung des 18. Jahrhunderts erneut gepflegt wurde. Einen doch eher fiktiven Eindruck davon liefern die Fêtes galantes in den Bildern von Watteau, die diesen den Namen gaben. Alles ist zusammenkomponiert, idealisiert, aber ohne ein vorgestelltes Ideal ist eine kultivierte Praxis nicht möglich. Zugleich verlangte eine Ausbildung des Sentiments eine entsprechende Gartenform, nämlich des englischen Gartens, der sich schon im 18. Jahrhundert verbreitete. So gab es auch die angepasste Konversation, daneben Spiele und Tanz, welche die beiden Geschlechter einander näher brachten. Auch dazu findet sich ein Artikel über Tanzschritte und Tanzfiguren im Katalog.
Zahlreiche bildliche Darstellungen zeigen die Banquets im Garten, mit spielenden Musikanten, galanten Paaren an üppig beladenen Tischen mit den großen Geflügelpasteten darauf. Eine Veränderung vollzog sich im 18. Jahrhundert als man für die großen Feste in den Residenzen aus Porzellan Gartenelemente nachbildete und diese als Tischdekoration einsetzte: Buchsbaumhecken, Pyramiden, dazu die Blumensträuße aus Porzellan, die entsprechend bemalten Teller. Der Garten all seinen Elementen wurde am Ende des 18. Jahrhunderts auf die Tafel geholt, als Vorschein des Paradieses.
Stellt die Vorstellung vom „Garten der Lüste" dazu einen Widerspruch dar - oder ist dieser nicht ein säkularisiertes Paradies? Die Idee der Gartenlüste kam ebenfalls von den Römern her, wie auch das Bildprogramm. Nymphen und Satyrn dienen als Allegorie der Lust. Der Garten der Lüste spielte sichtlich in Holland des 17. Jahrhundert in Bildern eine große Rolle. Das reiche Bürgertum zeigte in aufwendigsten Kleidern seinen Müßiggang und sinnenfrohem Zeitvertreib. Ein Lebenswandel der Oberschicht, anstößig für viele und bildlich bald moralisierend eingetönt.
Der Garten als realer Ort des Vergnügens und als imaginierter der Kultur zeigt in den Festen eine Kontinuität bis ins 19. Jhd. Vielleicht auch deswegen, weil nicht nur Vermögen, sondern auch so etwas wie kulturelle Kompetenz Voraussetzung war; bei der passenden Konversation, bei den Tänzen, beim Kulinarischen. Die Eingeladenen waren Teil des Spiels. Die Masse, als ungebildet geltend, blieb vor den Mauern. Das Elitäre, oft genug auch nur angemaßt damals, ist verschwunden. Die enormen Kosten, die die Bevölkerung belasteten, wären heute skandalös. Versailler Divertissements sind ferne Vergangenheit und existieren nur noch in solchen Katalogen.
Aber andererseits, wunderschöne Parkanlagen existieren noch, werden mit großem Aufwand gepflegt und böten damit einen perfekten Rahmen. Was aber findet darin statt? Allenfalls die übliche Einfallslosigkeit, das Standardprogramm in Musik und Catering. Doch auch das kostet eine beträchtliche Summe; ohne dass ein besonderer Effekt eintritt. Wer sich sehen lassen und zeigen will, tritt auf, ebenso die Adabeis. Andere erscheinen, weil sie nichts Besseres vorhaben und umsonst zu Speis und Trank kommen. Da stehen sie wieder herum, alle die sich kennen, reden miteinander und beklagen das immer Gleiche...
Aber man könnte sich doch auch selbst einmal etwas einfallen lassen und sich und die Anderen überraschen; Ideen finden sich zuhauf; wie in diesem Band, es fehlt am Willen.