Die 2011 an der Universität Kassel als Dissertation angenommene Arbeit Melanie Panses über Hans von Gersdorffs Feldbuch der Wundarznei erschien 2012 in der Reihe der Trierer Beiträge zu den historischen Kulturwissenschaften. In einem klassischen Dreischritt versucht sie die wissensgeschichtlichen Dimensionen des Werkes in ihren Bedingungen, Möglichkeiten, Grenzen und medialen Ausformungen aufzublättern. Es geht ihr dabei nicht um inhaltliche Analysen, die Aufarbeitung der Quellen oder eine textkritische Edition, sondern sie versucht mit dem Schlüsselbegriff des Wissens eine Konstruktions-, Deutungs-, und Rezeptionsgeschichte des Feldbuchs als Medium zwischen medizinischem Wissen und gesellschaftlicher Wirklichkeit, mithin eine „sozialfunktionale Bestimmung" (S. 215) in Spätmittelalter und Früher Neuzeit vorzunehmen.
Unter dem Begriff der „Wissensproduktion" grenzt Panse Kontext, Struktur und Legitimationsstrategien des Feldbuchs ein. Die Herausarbeitung einiger Abweichungen von Brunschwigs Cirurgia eröffnen den Verständnishorizont für das Genre, die diskursive Praktiken und die Auswirkungen von Deutungsmacht auf einbezogene bzw. ausgelassene Wissensfelder. Die „Wissenspräsentation" erschließt die Techniken der visuellen Inszenierung sowie deren Legitimation und polyfunktionalen Nutzungen. Panse geht dabei ebenso auf die gegenseitig stützenden Kommunikationsmöglichkeiten von Bild und Text ein, wobei man sich die Beschreibungen von textlichen Ordnungs- und Organisationsformen eher an dieser Stelle als im vorigen Kapitel gewünscht hätte. Der Aspekt der Macht in der Ausdeutung medizinischen Wissens überwiegt am Beispiel der visuellen Vermittlung und bleibt für die textliche Strategie im Vergleich zurück. Mit „Wissensrezeption" schließlich sind die Distributionswege des Feldbuchs, sowie die politisch, gesellschaftlich bzw. finanziell bedingten Transformationen von Text und Bild, von der Straßburger Erstausgabe des Jahres 1517 bis Anfang des 17. Jahrhunderts umschrieben. Anhand von 52 Exemplaren untersuchte Panse die Zirkulation einzelner Ausgaben des Feldbuchs und versuchte mittels verwertbarer Gebrauchsspuren diese bis in das 19. Jahrhundert sozialgeschichtlich auszudeuten und ihre Veränderungen in unterschiedlichen Gebrauchskontexten deutlich zu machen.
Regelmäßige Zusammenfassungen bringen die inhaltlichen Schwerpunkte nochmals präzise zur Sprache und verdeutlichen die Argumentationslinien. Ein Anhang bringt die Überlieferungsgeschichte der deutschsprachigen Ausgaben des Feldbuchs von 1517 bis 1606, sowie Aufbau und Abbildungen der Ausgabe von 1517 in tabellarischer Form. Ausführliche Quellen- und Literaturangaben und ein Namens- bzw. Sachregister folgen. Abschließend findet sich ein buntgemischter Bildanhang, der Beispiele von Holzschnitten aus Rößlins Rosengarten, Brunschwigs Cirurgia und Gersdorffs Feldbuch, welcher gleichsam den illustrativen Abschluss der Publikation bildet.
Mit ihrer Studie über Hans von Gersdorffs Feldbuch der Wundarznei verdeutlicht Panse die Modalitäten historischer Wissensprozesse, ihre Bedingungen, Wandelbarkeit und Gültigkeit in sich verändernden Zusammenhängen. Sie leistet damit einen Beitrag in der Erforschung spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher medizinischer Wissenskultur. Eingebettet in zeitliche, sozialfunktionale, politische und mediale Kontexte arbeitet Panse diesen Horizont differenziert heraus und lässt ihn fassbar werden.