Die ersten beiden Seiten des Vorwortes spiegeln „den Geschmack der Republik" wider, noch viel deutlicher aber den der Autoren, deren Darstellungsstil und Wissensstand. Sie erzählen etwa immer noch die Geschichte der französischen Königin Marie Antoinette mit ihrer „flapsigen Bemerkung": die hungernden Untertanen sollten beim aktuellen Brotmangel „halt Kuchen essen"; weswegen „die hochmögende Dame 1793" aufs Schafott kam. Daran erweist sich dreierlei: Die anhaltende Wirksamkeit der antimonarchistischen Propaganda des 18. Jahrhunderts, die Lust zu Anekdötchen und die Unlust an wissenschaftlichen Erkenntnissen. Obige „flapsige Bemerkung" stammt von Rousseau, er hat sie viele Jahre zuvor in einem Stück in den Mund einer Prinzessin gelegt, erst später wurde sie Marie Antoinette zugeschrieben.
Wenn 1976 „der Weltmarktpreis für Kaffee ... explodierte", dann gibt es wohl keinen Markt mehr. „Fertiggerichte und das Gleichberechtigungsgesetz kamen zeitgleich ... auf den Markt" (S 11) - was sagt uns das? Ein Blick „weitet sich über den Tellerrand und die Grenzen des eigenen Landes hinaus". Statt nachzuschlagen und nachzudenken, geistert das „päpstliche Huhn" eines „Geheimkochs" (cuoco secreto = Leibkoch) durch die Zeilen. Vita nova ist hier sächlich (das vita!), die „coppa venetia" männlich (der coppa!). Die Übergänge sind gezwungen, von einem Käseigel, einem „rundlichen ... Partygebilde", auf ein Raumschiff zu kommen, erfordert tatsächlich „Phantasie der Menschen" (81).
Wenn „männlich besetzte Nahrungsmittel wie der deutsche Sonntagsbraten ... an kultureller und Status unterscheidender Bestimmung verlieren...", dann klingt das weniger nach dem „Prozess der Zivilisation" von Norbert Elias als nach Helene Karmasin.
Da aber ein Literaturverzeichnis fehlt, wird nicht klar, woher das diverse Wissen kommt. Zur Weißwurst eine „Bretzel" zu sich zu nehmen und dann „Hergottszeiten" zu sagen, das ist indocta ignorantia, wie man genauso schön auf Bairisch sagt!!
Noch eine weitere Liste zur gefälligen Unterhaltung: Dass österreichische Grenzer 1989 „rübermachende DDR-Piefkes" mit Gratisbananen begrüßten, trug „vermutlich dazu bei, ... dass immer mehr Bürger das Wagnis der Flucht" eingingen. „Das Wiener Schnitzel ist - wie so mancher Bewohner dieser schönen Stadt - ein Luftikus, ein Blender."
Im Grunde ist die Idee nicht neu, Leitgerichte „mit Zeitgeschichte" zu verbinden. Das soll Anreiz zum Genuss und zum „Einlöffeln" von Wissen in historischen Textpassagen ermöglichen. Abgesehen von Verirrungen obiger Beispiele erhält man durchaus einen kritischen Überblick über 60 Jahre Bundesrepublik Deutschland. Die historischen Ereignisse werden kompakt wiedergegeben, ein aufklärerischer Impetus ist nicht zu verkennen, wie auch ein Bewusstsein von Ökologie. Das Buch liest sich leicht, die einzelnen Kapitel sind von angenehmer Kürze, die Bebilderung trägt zur Anschaulichkeit bei. Es wäre an sich ein informatives Lesebuch, wenn nicht dauernd der Eindruck entstünde, die beiden Autoren hätten sich irgendwo in der Literatur bedient und die Exzerpte, ohne Belege anzugeben, zusammengemantscht. Eine gewisse Oberflächlichkeit ist gerade beim Wissensstand unverkennbar. Die Pflege von nationalen Stereotypen, wenn auch ironisch gemeint, mutet gestrig an.