Kein Geringerer als Johann Wolfgang Goethe zollte mit dem Ausdruck „Feenreich" der Familie Esterházy seine Hochachtung - einer Familie, die zu Lebzeiten nicht nur für ihren Machtinstinkt und ihr Repräsentationstalent hoch angesehen war. Nein, das Geschlecht machte auch durch vielfältige kulturelle Leistungen von sich reden. Das gilt nicht zuletzt für den Bereich der Kochkunst.
Schon das Hochglanzfoto des Esterházy-Rostbratens auf dem Cover des Schutzumschlages lässt einiges für die nächsten knapp 180 Seiten erwarten. Und tatsächlich - so viel sei an dieser Stelle schon verraten - soll es damit bei Weitem nicht beim einzigen Augenschmaus geblieben sein. Denn Wagner setzt mit diesem reich und qualitativ hochwertig illustrierten Buch der Küche der Fürsten Esterházy und damit auch der Küche des pannonischen Raumes im Gesamten schon allein optisch ein eindrucksvolles Denkmal.
Das Inhaltsverzeichnis wartet mit drei großen Abschnitten auf, beginnend mit einem eher allgemein gehaltenen historischen Teil. Darauf folgen konkrete Rezepte der Esterházy-Küche und abschließend noch der Bereich der Weinkultur.
Zunächst führt uns Wagner bruchstückhaft die Geschichte der Familie Esterházy vor Augen - eine Geschichte, die bis in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts zurückreicht und im „prachtliebenden" (S. 9) Nikolaus I. im 18. Jahrhundert ihren Höhepunkt fand. Schlossküchen der Esterházy werden vorgestellt, in weiterer Folge auch die kulinarische Infrastruktur am Hof. Zahlreiche lehrreiche und aufheiternde Anekdoten lockern hierbei die Erzählung auf, wodurch diese auch zu keinem Zeitpunkt Gefahr läuft, langatmig und trocken zu werden. Da wären etwa Geschichten wie der allgemeine Tischtuch- und Serviettenverschleiß am fürstlichen Hof, Maria Theresias „Schlittenfahrt auf mit Salz bestreuten Wegen" (S. 9), Erzählungen über Joseph Haydn, den obersten Kapellmeister der Esterházy im 18. Jahrhundert, oder über den Neid des Hauses Habsburg, das im Gegensatz zu den Esterházy selbst nie renommierte, international anerkannte Köche aus Frankreich rekrutieren konnte. Schon in diesem Abschnitt werden diverse Quellen, wie Speisezettel, Fotos aus den originalen Backstuben - die täglich mehr als 3000 Semmeln erzeugen konnten - oder Fotos des fürstlichen Silbergeschirrs, abgebildet.
Den zweiten Abschnitt, den Rezeptteil, gliedert Wagner in Vorspeisen, Suppen, Zwischengerichte, Fischgerichte, Fleisch-Geflügel-Wild sowie Desserts. Auch hier besticht das Buch durch die sehr ansprechende, ganzseitige Darstellung der Speisen, zumeist auf hochwertigem Porzellangeschirr abgebildet. Die Rezeptsammlung ist vielfältig und reicht von Originalrezepten der Esterházy´schen Kochbücher bis zu gegenwärtigen Gerichten der Küche des pannonischen Raumes (Eisenstädter Eierspeis, Burgenländischer Aalsalat, Ungarische Gänseleber, Esterházy-Topf, Esterházy-Torte, u.v.m.). Die Rezepte sind prinzipiell einfach beschrieben und laden so auch zum Nachkochen ein. Leider mag sich beim einen oder anderen Gericht ein Problem ergeben: Denn die Zutaten scheinen hier und da auf die Schnelle recht schwer zu bekommen zu sein. Das fängt zum Beispiel an bei Fasan und Aal, geht über Maibockfilet, Poulardenkeulen und Merlot-Trauben bis hin zu diversen speziellen Weinen aus dem Haus Esterhazy. Gerade die Desserts bieten sich in dieser Hinsicht noch am praktischsten zum Nachkochen an. Für den Rest braucht es Zeit und Muße - in kochtechnischer Hinsicht, aber auch, um alle Zutaten zu ergattern. Ansonsten wird man den prunkvollen Gerichten sicherlich nicht gerecht werden.
Im letzten Teil des Buches führt uns der Autor noch kurz in die Geschichte der Esterházy-Weinkultur ein. „Spätestens seit 2007 ist der Esterházy-Weinbau <...> nicht nur mit seiner langen Vergangenheit, sondern auch mit einer Zukunft verknüpft, die den Namen Trausdorf trägt", betont Wagner (S. 171). Denn in diesem Eisenstädter Vorort befindet sich nun das hochmoderne Weingut der Esterházy-Betriebe. Die Weine sind bis heute ein Aushängeschild der pannonischen Lebenskultur geblieben, von denen der Autor nur wenige auf den letzten Seiten anführt.
Abgerundet wird das prachtvolle Buch am Ende durch ein alphabetisches Rezeptverzeichnis, ein kurzes Glossar zu österreichischen Ausdrücken und einem ebenso knapp gehaltenen Abkürzungsverzeichnis.