In den „Gefüllten Siebenschläfern" verschlägt es Wagners Hauptcharakter, den Archäologen Mario Carozzi, auf eine fiktive idyllische Insel in der Adria. Dort soll der Chili- und Maya-begeisterte Südtiroler, der sich um den nicht gerade sensationell prestigeträchtigen Posten des örtlichen Lapidariumleiters beworben hat, aus demselben eine Fremdenverkehrsattraktion zaubern. Da Steinchen vielleicht hier und da touristisches Staunen, nicht aber das erhoffte Geld in die Kasse der Insel spülen würden, schmiedet Carozzi - inzwischen schon eine Marionette der profitgierigen Machthaber der Insel - einen ausgefallenen Plan: Das römisch-antike Kochbuch des Apicius soll die Speisekarte eines örtlichen Restaurants und damit auch das unmittelbar daneben befindliche Lapidarium attraktiver machen. Carozzis zwei Probleme: Er hat sich erstens seine Arbeit gemütlicher vorgestellt. Zweitens kommt es ausgerechnet mit seinem Auftauchen zu einer Reihe rätselhafter Mordanschläge ...
Christoph Wagner legt mit diesem Buch seinen zweiten kulinarischen Krimi vor. Jedes der zehn Kapitel trägt den Namen eines ausgefallenen Gerichts (Perlhuhn mit Pfefferschokolade, Sardinen im Falerner, usw.). Die titelgebenden gefüllten Siebenschläfer sind somit nur eines von vielen kreativen Speisen, die Wagner auf zum Teil höchst amüsante Weise in die Handlung einflicht. Kulinarischer Fokus liegt auf römischen Spezialitäten des Altertums, unter Bezugnahme auf eine der ältesten überlieferten Rezeptsammlungen der Welt, die Apicius zugerechnet wird. Damalige Delikatessen wie Muränen und spezielle Weinmischungen bieten eine schmackhafte Rahmenhandlung und dienen auch schon mal als Mordinstrument. Daneben streut Wagner auch noch die einen oder anderen Mahlzeiten und Köstlichkeiten des Mittelmeerraumes ein - und so auch meist grob deren Rezepte. Über den kochtechnischen Nutzwert dieser lässt sich streiten - so lustig und ausgefallen Rezepte zwar in Dialogform meist dem Leser präsentiert werden, so sehr wird auch etwa mit den Mengenangaben und teils mit Feinheiten bei der Zubereitung gespart.
Die Synthese von Krimi und Kulinarischem ist Wagner aber durchaus gelungen. Zwar gibt es in kriminologischer Sicht, gerade in der ersten Hälfte des Buches, einige Leerläufe (wo die Charaktere oftmals nichts Besseres zu tun haben, als seitenlang Pasta zu essen und Wein zu genießen), doch die stören nur bedingt - sind doch diese durch Wagners wirklich amüsanten und witzigen Schreibstil schnell zu überbrücken.
Der Autor gibt uns aber nicht nur Grund zu lachen. Er hat auch noch eine Botschaft für uns -das Buch ist mehr als nur ein gastrosophisch aufgeladener Krimi. Mehr insofern, als eine Kritik am momentanen sozialen, ökonomischen und vor allem ökologischen Erscheinungsbild des Mittelmeerraumes nicht zu kurz kommt. Nein, diese Kritik bildet sogar das wesentliche Kernelement der Erzählung. Schließlich soll ja die im Buch beschriebene Insel, das Paradies, zum Profitcenter, zu einem neuen Mallorca umfunktioniert werden. Die Mittelmeerregion präsentiert sich zum großen Teil schon als neues „Disneyland", wie Wagner es selbst durch einen der Charaktere auf den Punkt bringt (S. 232), und ist im Begriff, ihre idyllische Komponente zu verlieren - beziehungsweise hat sie dies schon längst. Das Streben des Menschen nach Reichtum und Profit wird von Wagner so humorvoll aufs Korn genommen, dass man während der Lektüre über die einen oder anderen Anspielungen auf die Folgen der Gier ziemlich nüchtern hinweggelesen wird. Die Fischer verlieren die Fischereigründe, Arbeitsplätze schwinden. Die gewaltige Umwandlung der Kulturlandschaft und der Massentourismus verändern Regionen weltweit maßlos und nehmen ihnen jegliche Identität.
Wagners Hauptcharakter Carozzi - Spielball der örtlichen Mächte - muss ziemlich widerstandslos mitansehen, wie auch er dazu beiträgt, dass die Insel ihr Flair bald gänzlich verloren haben wird. Insofern hat dieses Buch keinen echten Helden, mit dem man mitleiden kann. Nicht die Ermordeten - in diesem Krimi sind die Natur und die Kultur die eigentlichen Opfer.