Wie ist dieses Kochbuch einzuordnen? Gehört es zur „Wiener Küche", zur „Neuen österreichischen Küche" oder ist es ein Beispiel für eine „rundumerneuerte österreichisch-böhmisch-ungarische Gourmetküche" (S. 17)? All diese Begriffe kommen in der Einleitung des Bandes vor - und allen soll es auch genügen. Da spiegeln sich die diversen vorhandenen Küchenlinien und die terminologischen Fragen. Auf die wird im vorliegenden Werk nicht eingegangen, warum auch: die Antwort erfolgt in der Praxis. Es ist die Mischung, heute würde man sagen: fusion von all dem, das einmal aus allen Reichsteilen in die Wiener Küche einging und über eine traditionsbezogene „Österreichische Küche" der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sich mit den Anregungen der Nouvelle Cuisine modernisiert und den heutigen „Lebensweisen" und -welten angepasst hat. Hier hat Hans Peter Fink, von dem die Rezepte stammen, eine eigene Handschrift, die Sacher-Linie, gezeigt. Die Rezepte verleugnen nicht die Tradition mit den „Klassikern" - die erscheinen alle, doch sie verzichten auf die vormalige „Schwere", sind bewusst modernisiert und adaptiert. So sehen wir eine Küche auf hohem Niveau, mit innovativem Potenzial und unter Verzicht auf modische Vorlieben wie etwa den Bärlauch.
Die angezielte Adressatengruppe: alle „Hausfrauen und Hobbyköche" (Umschlagklappe) - das spiegelt noch ein wenig eine überkommene Rollenverteilung wieder, könnte aber präzisiert werden: in ambitionierte Liebhaber/-innen einer explizit traditionsbasierten, also „neuen österreichischen Küche". Sie sollten aber des Kochens kundig sein; für „blutige" Amateur/-innen sind die Anforderungen zu hoch, auch wenn manche Zubereitungsarten Schritt für Schritt und bebildert erklärt werden. Vorwissen schadet nicht: Die Rezepte sind kompakt, knapp im Text gehalten: Zutaten, Zubereitung und zur Verfeinerung noch ein „Tipp" dazu. Sie lassen sich gut umsetzen und gelingen, wie Proben aufs Exempel bewiesen. Der Aufbau entspricht dem eines Menüs, ist damit „klassisch": wie auch das große Suppenkapitel eingangs beweist. Wie zu erwarten, fehlen die umfangreichen Teile mit Desserts und Mehlspeisen nicht, aber auch die Vegetarier kommen auf ihre Kosten - alles mit einem eigenen Sacher-Touch! Das Qualitätsbewusstsein wird betont und hochgehalten. Am Ende gibt es noch Anleitungen zur Tischkultur.
Die Bilder sind informativ und textbezogen, drängen sich nicht in den Vordergrund; die Sprache ist nüchtern, mit gelegentlichen Austriazismen. Es finden sich Gerichte für alle Tage wie für Feste. Die vielen eingestreuten Anekdoten sind für ein Kochbuch ungewöhnlich, meistens amüsant, gelegentlich auch sehr erhellend. Hier tragen die Autoren wohl der Tatsache Rechnung, dass manche Käufer weniger die Rezepte lesen ...
In Summa ist ein anregender „Klassiker" geschaffen worden, für alle „Amateur/-innen" einer österreichischen Küche, gerade auch solche in der „Diaspora". Vom Inhalt, der Aufmachung und Ausstattung her ist es ein Aushängeschild für das Sacher und seine Küche.