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Die Wunderwelt der Pilze

Lisa FREIDL.   

Pilze, ein wahres Phänomen der Natur, sind weder Pflanzen noch Tiere. Die Wissenschaft hat deshalb für das überaus umfangreiche und komplexe Forschungsfeld der Pilze eine eigene Disziplin – die Mykologie – geschaffen.

Die Pilze wurden wegen der schwierigen Zuordnung innerhalb aller vorkommenden Lebensformen als eigene Gattung eingestuft.

Eine Gattung von einer ungeheuren Vielfalt, sowohl in Bezug auf die hohe Anzahl der vorkommenden Sippen und Arten (es werden über eine Million Arten vermutet), als auch hinsichtlich der unterschiedlichen Größenordnung, die von mikroskopisch klein (z.B. Hefepilze) bis zu wahrhaft gigantischen Ausmaßen reicht. Im Staate Oregon USA beispielsweise ist ein Hallimasch bekannt, dessen Mycel sich über eine Fläche von mehr als 120 Hektar erstreckt, sein Gewicht wird von Fachleuten auf circa 600 Tonnen geschätzt und sein Alter auf etwa 2400 Jahre.(1) Er gilt damit als das mit Abstand größte Lebewesen der Erde(2) Zur Unterteilung in die beiden Großgruppen „niedere und hohe" Pilze gliedert man sie auch nach ihrer unterschiedlichen Ernährungsweise in Saprophyten, Symbionten und Parasiten. Als „hohe" Pilze - auch Großpilze genannt - werden alle Pilze bezeichnet, deren aus dem Mycel wachsender Fruchtkörper sichtbar ist. Nur diese Gruppe ist für den Pilzsammler interessant, da dazu auch praktisch alle Speisepilze zählen.

Grundsätzlich ernähren sich alle Pilze - im Gegensatz zu Pflanzen - wie Tiere und Menschen von organischen Substanzen. Sie nehmen diese über die „Hyphen" (feine Fäden) ihres Mycels (Wurzelgeflecht) auf, indem sie organische Stoffe durch Ausscheidung von Enzymen zersetzen und dann in flüssiger Form über die Zellwände der Hyphen aufnehmen.

 

Während die Saprophyten sich von bereits abgestorbenen Stoffen ernähren, tauschen Symbionten Nährstoffe mit ihren Symbiosepartnern (Bäume und andere Pflanzen) aus. Parasiten hingegen bringen lebende, organische Substanzen zum absterben und verwerten sie dann.

Wie auch Bakterien sind Pilze so für Zersetzungsprozesse und Zerfall von organischen Substanzen und deren Umwandlung zu Humus verantwortlich und damit ein wichtiger ökologischer Faktor zur Aufrechterhaltung der Nährstoffkreisläufe in der Natur. Ohne Pilze würde die Natur in abgestorbenen organischen Substanzen ersticken.

Die Bedeutung der Pilze für den Menschen liegt aber zweifellos in ihren besonderen Qualitäten als wertvolles und äußerst wohlschmeckendes Lebensmittel. Schon die Steinzeitmenschen als Jäger und Sammler haben Pilze sehr geschätzt und getrocknet als Nahrungsmittelvorräte für Winterzeiten angelegt.

Heute ist Pilze sammeln eine beliebte Freizeitbeschäftigung und sie erfreuen sich auch in der feinen Küche steigender Wertschätzung. Das war nicht immer so.

Im alten Rom besaßen Pilze bei den Patriziern noch hohes kulinarisches Ansehen  Marcus Valerius Martial, ein bedeutender Dichter im 1. Jhdt. nach Christus schrieb:

 

Argentum atque aurum facile est lenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est (Gold und silber, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber auf Pilze zu verzichten).(3)

 

Am Anfang der Neuzeit und mit beginnender Industrialisierung begann das Interesse an Pilzen abzunehmen und die allgemeine Einstellung zu Pilzen war vielfach von Vorbehalten geprägt. Dies bezeugt sehr gut ein Zitat aus dem Leipziger Kochbuch, 1745: „Schwämme allerlei Sorten sein besser gelassen als genossen (...)."(4)

Noch bis in die erste Hälfte des 20. Jhdt. waren Pilze eher ein Nahrungsmittel für die Küche der armen Leute. Selbst in der „Süddeutschen Küche" der Katharina Pratt, die gemeinhin als „Bibel der österreichischen und süddeutschen Küche" bezeichnet wird, spielen Pilze eine völlig untergeordnete Rolle. Unter insgesamt 4.250 Rezepten finden sich lediglich 23 Pilzgerichte (78./79. Auflage, Styria Verlag, Graz, 1938).

Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jhdt. begann die Wertschätzung für Pilze in der Küche wieder zu steigen und  so sind Pilze in den Kochbüchern der Spitzenköche von heute entsprechend häufig in Rezepten von Pilzgerichten zu finden. In insgesamt 540 Rezepten des italienischen Starkochs Antonio Carluccio z. B. , finden sich 138 mit Pilzen als Zutat. Die mittlerweile große Nachfrage nach den begehrten „Schätzen der Natur" hat aber auch bewirkt, dass so manche Pilzart infolge der Ausbeutung der Wälder mittlerweile rar geworden ist. Entsprechend teuer sind die begehrten Speisepilze auch im Handel geworden. Die weiße Alba - Trüffel beispielsweise erzielt bei Auktionen Preise bis zu 10.000 Euro pro Kilogramm.

Nicht zuletzt aus diesen Gründen steigt auch die Bedeutung der Pilzzucht. Während in Asien bereits seit mehr als 2000 Jahren Pilze kultiviert werden, begann man in Europa erst um 1700 mit der Zucht des mittlerweile weltweit gezüchteten Champignons. Bis heute hat auch die Artenvielfalt der, im Handel erhältlichen Zuchtpilze enorm zugenommen und es werden sowohl Fertigkulturen wie auch Pilzbruten für die gewerbliche und private Pilzzucht in Samenhandlungen, Gartencentern und neuerdings auch im Internet vermehrt angeboten.(5)

Der Wert der Pilze für den Menschen liegt aber nicht nur in der kulinarischen Bedeutung. Auch die gesundheitsfördernde und heilende Wirkung von Pilzen ist schon lange bekannt. Archäologen, die 1991 die Gletschermumie „Ötzi" untersuchten, haben herausgefunden, dass der Steinzeitmensch Birkenporlinge mit sich trug und diese gegen seine Magenbeschwerden - er litt an Peitschenwürmern - einsetzte.(6) Frank Daniel Schulten berichtet in seinem Buch „Ling Zhi - König der Pilze" über die Wertschätzung von Pilzen als Heilmittel in China.(7) Auch Jan Lelley, ein deutsch ungarischer Mykologe beschreibt in seinem Buch „Die Heilkraft der Pilze - wer Pilze isst lebt länger" die gesundheitsfördernde Kraft der Pilze.(8)

 

Die faszinierende Lebensform der Pilze  beschäftigt den Menschen seit jeher und unzählige Mythen ranken sich um sie. Sie werden mit dem Teufel und Hexen in Verbindung gebracht und vielfach mit Symbolkraft belegt. Kaum ein anderes Naturprodukt erhält in der Literatur eine so große Aufmerksamkeit und Präsenz wie die Pilze. Hier sei auf das Buch „Pilze und Menschen" von Christian Rätsch hingewiesen, in dem ausführlich auf Gebrauch, Wirkung und Bedeutung der Pilze in den unterschiedlichste Kulturen eingegangen wird.

 

Literatur:

Lelley, Jan: Die Heilkunst der Pilze. Wer Pilze isst lebt länger. 4. völlig neu bearbeitete Auflage. Krefeld 2008

Moser, Frank: Pilze. http://www.natur-lexikon.com/begriffe/0001/bfm00002.html (29.05.2011)

Schuldes, Bert Marco und Lanceata, Sam: Das Pilzzucht-Buch. Darmstadt 1999

Schulten, Frank-Daniel: Der göttliche Pilz der Unsterblichkeit. http://www.fulcanelli.de/41436.html (29.05.2012)

WunderweltPilze (41k)

Quellen, Anmerkungen

  1. Vgl. Lelley, Die Heilkraft der Pilze, 6.  
  2. Vgl. Moser, Pilze.  
  3. Vgl. Lelley, Die Heilkraft der Pilze, 11.  
  4. Vgl. Lelley, Die Heilkraft der Pilze, 12.  
  5. Vgl. Schuldes u. Lanceata, Das Pilzzucht-Buch, 14.  
  6. Vgl. Schulten, Der göttliche Pilz der Unsterblichkeit.   
  7. Vgl. Schulten, Der göttliche Pilz der Unsterblichkeit.  
  8. Vgl. Lelley, Die Heilkraft der Pilze.  
Pilze - Photo: WIBERG   Portobello-Pilze